Ein Mann will nach oben
daß meine Tochter sich für einen Taxichauffeur – interessierte, habe ich ihr jede Gelegenheit gegeben, diesem Interesse auf den Grund zu gehen. Ich nahm an, um so eher müsse es erlahmen. Ich habe Sie dabei gegen meinen Willen fördern müssen, ich hoffte, Sie würden sich Blößen geben. Sie haben sich Blößen genug gegeben, es hat nichts genützt …«
»Um auf die Leerkilometer zurückzukommen«, sagte Karl Siebrecht unbeirrt, »so liegt eine Lücke im Vertrag vor, die von mir übersehen wurde, von Ihnen beabsichtigt war. Sie lassen sich einen Verlust meiner Gesellschaft noch bezahlen.«
»Um auf Sie oder vielmehr meine Tochter zurückzukommen –« Herr Eich wanderte immerfort – »so sehe ich in dieser Hochzeit das letzte Mittel, daß meine Tochter ihrem ›Inter esse ‹ auf den Grund kommt. Ich halte Sie nicht nur für einen Abenteurer, sondern auch für einen kalten Menschen ohne Gewissen. Es ist wünschenswert, daß wir beide wissen, wo wir stehen.«
»Es wird Sie interessieren, Herr Eich, daß gerade diese kleine – Überlistung mit den Leerkilometern nicht unwesentlich zu dem Entschluß Herthas beitrug, mich doch noch zu heiraten.« – Herr Eich blieb stehen und sah ihn starr an. – »Abweichend von Ihnen«, fuhr Karl Siebrecht fort, »bin ich der Ansicht, daß ohne diese Hochzeit unsere Beziehungen in wenigen Wochen zu Ende gewesen wären. Ich hätte von der Gnade meiner Geliebten leben müssen, und das hätte weder sie noch ich ertragen.«
Herr Eich fragte schnell: »Sie wären nicht zurückgekommen?«
»Nein, ich wäre nicht hierher zurückgekommen. Sie haben falsch gerechnet, Herr Eich.« – Wieder sahen sich die beiden schweigend an. – »Was aber Herrn Bremer angeht«, sagte dann Karl Siebrecht, »meinen präsumtiven Nachfolger –«
Sehr schnell fragte Herr Eich: »Wer ist Herr Bremer? Ich kenne diesen Namen nicht.«
Karl Siebrecht verbeugte sich: »Ich danke Ihnen, genau die Auskunft, die ich erwartete. – Wenn ich jetzt ein Zimmer zum Umziehen haben könnte?«
Herr Eich sah plötzlich wieder sehr alt und müde aus. »Ich weiß nicht, von welchen Leerkilometern Sie reden«, sagte er. »Am besten bringen Sie die Frage durch Ihre Anwälte vor. – Kommen Sie, ich zeige Ihnen das Zimmer.« Und als Herr Eich ihm nun voranging, hatte Karl Siebrecht das Gefühl, daß er diesen Mann geschlagen hatte, nicht nur dies eine Mal, sondern für immer. Er würde ihn nie lieben, aber er würde ihn ertragen, solange ihn die Tochter noch liebte. Wenn das aber nicht mehr der Fall sein würde –Alle Hochzeitsfeierlichkeiten glitten nur schattenhaft an ihm vorbei, er merkte es kaum. Er sah Hertha in ihrem weißen Brautkleid, er führte sie in die Kirche, er fühlte die vielen neugierigen Blicke auf sich, und einen Augenblick, als sie da beide vor dem Altar saßen, auf zwei vorgerückten Sesseln, hatte er das Gefühl: Hier also bin ich. Soweit bin ich nun doch gekommen – der arme Junge aus der Kleinstadt. Sechzehn Jahre sind es her, daß ich nach Berlin kam – mit nichts. Aber dies Gefühl wollte nicht deutlich werden, die Orgel spielte, und während er halb hinhörte, zerrann das Gefühl schon wieder.
Er wachte erst wieder in der Sakristei auf, als Hertha, er und nach ihnen die Trauzeugen unterschrieben. Einen Augenblick sah er neugierig den Namen an, der dort geschrieben stand: Hertha Siebrecht. Dann schüttelte ihm Herr von Senden die Hand, ungewöhnhch ernst, und auch er sehr müde aussehend: alle auf dieser glänzenden Hochzeit schienen ein wenig blaß und müde zu sein, vor allem die junge Frau.
Aber nicht Herr Rechtsanwalt Lange, sein und seiner Frau Sachberater, der auch als Trauzeuge unterschrieben hatte. »Ich bin ja so glücklich!« flüsterte er. »Diese Ängste, die wir ausgestanden haben! Ich und mein Kompagnon Messerschmidt, wir haben nächtelang nicht geschlafen vor Sorgen! Ich bin ja so glücklich!«
Später, wenn Karl Siebrecht an diese seine Hochzeit zurückdachte, kam es ihm immer seltsam vor, daß der einzige Mensch, der auf dieser Hochzeit ganz glücklich gewesen war, ein alter vertrockneter Jurist war. Aber ehe sie aus der Sakristei gingen, reichte ihm noch ein alter Freund die Hand, ein Mann, den er lange gesucht und entbehrt hatte: Herr Gollmer. »Ja«, sagte Herr Gollmer matt lächelnd, auch er sah sorgenvoll aus: »Ich wollte mich an diesem Ehrentag doch wenigstens einen Augenblick sehen lassen! Meinen herzlichsten Glückwunsch, Herr Siebrecht. Wollen Sie mich wohl
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