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Ein Mann will nach oben

Ein Mann will nach oben

Titel: Ein Mann will nach oben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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»Laß mir Zeit. Findest du nicht auch, daß Vater sehr alt geworden ist? Laß mich noch eine Weile bei ihm. Es ist alles zu schnell gekommen, Lieber. Gestern um diese Zeit war ich noch ganz allein.«
    »Gut«, sagte er. Auch hierzu sagte er gut … »Ich will sehen, daß ich alles beschleunige, und ich hoffe, du hilfst mir ein wenig beim Mieten und Einrichten. Ich bin zu unerfahren in diesen Dingen. Aber um eines bitte ich dich, Hertha. Vergiß nie ganz, daß dein Vater nicht mein Freund ist. Laß die Zeit in seinem Haus nicht zu lang werden.«
    »Je weniger du mich drängst, um so eher werde ich zu dir kommen. Ich weiß doch, daß ich dich liebe, und auch du weißt es.« Sie gab ihm die Hand. Auch sie hatte gesehen, daß ihr Vater sie beobachtete.
    »Schließt ihr da einen Vertrag, Hertha?« fragte Herr Eich höflich.
    »Ja, Vater«, sagte sie leise. »Karl ist damit einverstanden, daß ich die ersten Wochen noch bei euch bleibe, während er nach einem neuen Heim für uns sucht.«
    Herr Eich zog in höflichem Erstaunen die Augenbrauen hoch. »Herr Siebrecht ist sehr großzügig«, sagte er. »Da werde ich nicht weniger großzügig sein dürfen und muß ihn wohl bei der Suche nach einem neuen Heim unterstützen.«

105. Es ist soweit

    Die Klatschblätter der Reichshauptstadt, vom »Guten Ruf« angefangen über die »Wahrheit« bis zum »Intimen Blatt«, hätten Stoff genug gehabt, über die junge Ehe des Direktors vom Berliner Bahnhof-Eildienst zu schreiben. Dieses junge Paar, das durch bohemehafte Sitten vor der Hochzeit soviel Anlaß zu Gerede gegeben hatte, schien sich nach der Hochzeit nicht mehr zu kennen. Die junge Frau wohnte bei ihren Eltern, und Besuche in der Passauer Straße gab es nicht mehr. Die Wohnung dort war zu vermieten, und bald zog ein Handelsvertreter ein. Der junge Ehemann aber wohnte in einer Fremdenpension in der Lietzenburger Straße und lebte aus seinen Koffern.
    Im Anfang dieser Zeit hatte Karl Siebrecht noch dann und wann versucht, seine Frau telefonisch zu sprechen. Er hatte erwartet, daß Hertha ihm wenigstens bei der Einrichtung beistehen würde, bestimmt hatte er nicht erwartet, daß sie ihn überhaupt nicht mehr sehen und sprechen wollte. Aber er war nie auch nur mit ihr verbunden worden. Es hatte auch keine verlegenen Entschuldigungen gegeben, es hatte einfach geheißen: »Die gnädige Frau ist nicht zu sprechen.«
    Aber dann kam die Nachricht von den Herren Lange & Messerschmidt, daß Herr Eich in Nikolassee eine Villa für seine Tochter erworben habe. Jawohl, für seine Tochter, das war eine große Beruhigung für Karl Siebrecht. Wenn dieser argwöhnische, feindlich gesinnte Mann eine Villa kaufte und dafür sorgte, daß sie auf den Namen der Tochter geschrieben wurde, so war er doch wohl der Ansicht, daß diese Ehe noch in Kraft treten würde – sagten die Juristen nicht, die Ehe würde noch konsumiert werden? Gleichviel, was sie sagten, Karl Siebrecht gab von Stund an die Versuche auf, seine Frau telefonisch zu erreichen. Er mußte sehen, mit der Einrichtung allein fertig zu werden. Er stöberte einen begeisterungsfähigen jungen Innenarchitekten auf, einen Herrn Zenker. Natürlich war es notwendig, diesen Herrn Zenker in gewissem Umfang ins Vertrauen zu ziehen. Es war ja etwas ungewöhnlich, daß ein Haus ganz nach dem Geschmack einer Dame eingerichtet wurde, die sich weder sehen noch sprechen ließ. Zwischen den beiden Männern bestand die stillschweigende Vereinbarung, daß Frau Siebrecht bei der Pflege ihres schwer erkrankten Vaters unter keinen Umständen gestört werden durfte.
    »Machen Sie das nur ganz so, wie Sie denken, Herr Zenker«, sagte Karl Siebrecht. »Ich hoffe, Sie werden den Geschmack meiner Frau treffen.«
    Herr Zenker ließ sich das nicht zweimal sagen, er machte es wirklich genau so, wie er dachte! Gottlob waren die Zeiten des Expressionismus schon wieder vorüber, und der junge Mann hatte eine vertraueneinflößende Vorliebe für alte Möbel. Immerhin schien er nicht ganz im Bilde darüber, was der Direktor eines mittleren Berliner Betriebes verdiente. Karl Siebrecht hatte jetzt ein gutes Einkommen, die Geschäfte gingen nicht schlecht. Aber um Herrn Zenkers Forderungen gerecht zu werden, hätte er das zehnfache Einkommen haben müssen. Karl Siebrecht seufzte, Karl Siebrecht protestierte, aber schließlich ergab er sich in sein Schicksal. Er richtete ja auch nicht alle Jahre eine Villa in Nikolassee ein. Er bremste –aber er schloß doch viele Käufe

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