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Ein Mann will nach oben

Ein Mann will nach oben

Titel: Ein Mann will nach oben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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Ihrer jungen Frau vorstellen –?«
    Es kam Karl Siebrecht vor, als betrachte Herr Gollmer die junge Frau sehr eindringlich. Aber er war die Liebenswürdigkeit selbst: »Nein, zum Essen kann ich leider nicht bleiben, in zwei Stunden fahre ich weiter nach Paris. Ich hoffe aber, wir werden uns jetzt häufiger sehen. Es scheint, als stünden ein wenig ruhigere Zeiten bevor. Wir könnten sie wahrhaftig brauchen!«
    »Und Ihre Tochter? Fräulein Ilse?« fragte Karl Siebrecht endlich. Es war alles Unsinn, warum sollte er nicht nach Ilse Gollmer fragen, wenn seine Frau dabeistand?
    »Sie wäre gern mit hierhergekommen, natürlich. Aber irgend etwas kam ihr dazwischen, im letzten Augenblick entschloß sie sich anders. Nein, sie ist jetzt nicht in Berlin, aber bald wollen wir wieder ganz hierher übersiedeln, in unser altes Heim am Grunewald. Sie erinnern sich doch noch?« – Karl Siebrecht nickte. – Plötzlich lachte Herr Gollmer. »Ich rechne bestimmt darauf, daß Sie mir wieder als Gärtner zur Verfügung stehen! Wissen Sie noch: die Blattläuse? Haben Sie Ihrer Frau von den Blattläusen erzählt?«
    »Doch ja, ich habe ihr davon erzählt«, antwortete Karl Siebrecht lächelnd.
    Dann saß er mit seiner jungen Frau an der Tafel im Speisesaal des Hotels. Er sah die Reihe von Gästen hinunter, die meisten waren ihm nicht einmal vom Sehen bekannt. Ganz am anderen Ende entdeckte er ein paar bekannte Gesichter: Herrn Körnig, die Palude mit ihrem energischen, immer männerhafter werdenden Gesicht, ihr Haar im Herrenschnitt war nun schon ganz grau. Neben Fräulein Palude saß Herr Bremer, sehr lang, sehr rothaarig, mit sehr viel Sommersprossen. Einen Augenblick überlegte Karl Siebrecht, wer Herrn Bremer wohl eingeladen haben könnte, er hatte es bestimmt nicht getan. Sofort vergaß er wieder Herrn Bremer, er wandte sich zu Hertha und sagte leise: »Du, Hertha?«
    »Ja –?«
    »Wir wollen doch sehen, daß wir möglichst bald von hier fortkommen, nicht wahr?« – Sie nickte nur. – »Es ist natürlich nichts vorbereitet, aber ich denke, wir fahren einfach in die Passauer Straße. Was meinst du?« – Sie sah ihn schweigend an. – »Hilde wird schon alles in Ordnung haben«, fuhr er lächelnd fort. »Hast du übrigens Hilde in der Kirche bemerkt? Ich sah sie zufällig, sie weinte herzzerbrechend.«
    »Nein«, sagte Hertha. »Nein, ich möchte nicht in die Passauer Straße, ich will überhaupt –«
    Eine Weile mußten sie zuhören, wie ein Redner die Neuvermählten ansprach. Er feierte besonders die Tennisleidenschaft der jungen Frau, die dem jungen Ehemann ebenso unbekannt war wie der Redner selbst.
    Als das Anstoßen der Gläser vorüber war, wandte sich Karl Siebrecht wieder an Hertha. »Du meintest, du möchtest nicht in die Passauer Straße. Natürlich geht das auch. Es ist ein bißchen schwierig, wir haben nicht einmal Gepäck fürs Hotel. Aber Hilde könnte schnell etwas zusammenpacken.«
    »Ich will nie wieder in die Passauer Straße«, flüsterte sie leidenschaftlich. »Ich will nie wieder etwas von den Dingensehen, die dort sind, auch die Hilde nicht. Schick sie fort, gib alles weg, was dort ist – ich kann nie wieder durch diese Haustür gehen, es wäre mir immer, als sei der Fotoapparat wieder auf mich gerichtet!«
    »Aber Hertha«, sagte er verblüfft, »ich glaubte immer, du machtest dir aus all dem Geklatsche und Geschmier nichts!«
    »Verstehst du nicht«, sagte sie und hob dabei lächelnd ihr Glas gegen einen Freund, der ihr zutrank, »verstehst du nicht, daß das alles vorbei ist? Daß wir noch einmal anfangen müssen, ganz von vorn? Es kann nie wieder so werden, wie es war, und ich will nie wieder etwas von dem sehen, was gewesen ist! Nie wieder!«
    »Ich glaube, diesmal verstehe ich dich nicht ganz, Hertha«, sagte er und bemühte sich, möglichst glücklich auszusehen, denn er fühlte, daß sein Schwiegervater ihn beobachtete. »Aber es soll alles geschehen, wie du wünschst. Ich werde die Wohnung kündigen und die Sachen weggeben. Du möchtest nicht, daß ich sie verkaufe?«
    »Nein. Schenke sie weg, irgendwem, wo ich sie nie wiedersehe.«
    »Das wird dann gleich eine Entschädigung für die arme Hilde sein, die wirklich ein freundliches Mädchen war«, sagte er lächelnd. »Aber, Hertha, das alles wird eine Weile dauern. Wo möchtest du, daß wir in dieser Zeit bleiben? In einem Hotel?«
    »Ich möchte erst einmal zu Vater zurückgehen.« Sie sah, wie er zusammenfuhr. »Sei geduldig, Karl«, bat sie.

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