Ein Mann will nach oben
Leben, das du uns bereiten willst, wenn du auf deinem Vorhaben beharrst. Ich habe dir nur geschildert, was geschehen wird. Und ich schwöre dir, ich werde all dies tun, wenn du weiter auf deinem Vorhaben beharrst. Ich will lieber, daß du mich unglücklich machst, als daß ich dich unglücklich mache. Ich habe eine Frau in meinem Leben unglücklichgemacht, das ist mir genug.« Er sprach immer leiser: »Es gibt keine Sicherheit im Leben, mein armes Kind, auch in der Liebe nicht. Versuche zu vertrauen, vertraue der Stunde, dem Tag, der Woche dann, vertraue den Jahreszeiten, die so rasch wechseln, laß dich von ihnen weitertragen. Du bist ja nie gebunden, das weißt du doch. Wer kann dich binden? Ich? Ach, ich Armer!«
»Ach, du Armer!« wiederholte sie zärtlich in seinem Arm. Und leise, sehr leise: »Und das dritte, sage mir schnell das dritte, Karl!«
Er beugte sich ganz über sie: »Und wie denkst du über deine Kinder, Hertha Eich – Hertha Siebrecht?«
Sie schloß die Augen. Dann, nach einer langen Weile, fragte sie: »Können wir noch zur Zeit nach Berlin kommen?«
»Packe nur!« sagte er. »Das Auto wartet unten. Wir schaffen es noch.«
»Das Auto? Aber der Herr von Senden ist damit fortgefahren? Oder ist auch das nicht wahr?«
»Doch, Senden ist schon längst auf dem Weg nach Berlin. Unten wartet ein zweiter Wagen – für uns allein.«
»Wußtest du denn, daß es so kommen würde?«
»Nein, ich wußte es nicht. Ich hoffte es nur. Aber ich habe auch an das gedacht, was kommen würde, wenn du nicht ja sagtest. Dann hätte ich dich gebeten, noch in der Nacht mit mir irgendwo anders hinzufahren. Es wäre Karlchen nämlich sehr peinlich gewesen, in dieser Pension, wo du bekannt bist, als dein Geliebter aufzutreten.«
104. Die Hochzeit
Unvergeßlich blieb Karl Siebrecht von seinem Hochzeitstag der Augenblick, da er Hertha Eich ihrem Vater zuführte. Es war keine Zeit mehr gewesen, noch in die Passauer Straße zu fahren, sie fuhren direkt in die Eichsche Wohnung. Sie fanden Herrn Eich in seinem Arbeitszimmer, wandernd den Wegdes ewigen Wanderers, zwischen Daumen und Zeigefinger die Klappe seines Rockes. Aber es war diesmal nicht die kaffeebraune Hausjacke, an der er sich festhielt, sondern die Klappe seines Fracks, und auf der Brust dieses Fracks hingen vier, fünf Orden. Herr Eich war zur Hochzeit bereit.
Doch hatte er diese Hochzeit nicht mehr erwartet. Ein Blick in das klein gewordene, alte, müde Gesicht sagte das. Aber kaum war die Tochter eingetreten, so veränderte sich das Gesicht, die Augenbrauen hoben sich, die gelblichen Augen bekamen Glanz. Die Gestalt straffte sich, der Rücken wurde wieder gerade. »Liebes Kind«, sagte Herr Eich und warf einen triumphierenden Blick auf Siebrecht, »ich wußte es ja! Ich habe es nie anders von dir erwartet!« Und ruhiger: »Übereile dich nicht, du hast noch reichlich eine halbe Stunde Zeit. Schneiderin und Friseuse erwarten dich. Aber geh zuerst zu deiner Mutter, sie zerfließt in Tränen. Sie ist keine Eich, du bist eine Eich.« Er war ganz Triumph. Er war ohne Erfolg bei der Tochter gewesen, aber nun, da der Schwiegersohn erfolgreich gewesen war, wo er versagt hatte, triumphierte doch der Vater! Es war nicht dieser unerwünschte Schwiegersohn, es war das Eichsche Blut – und vielleicht hatte er sogar recht damit.
»Ich bin seinetwegen gekommen, Vater«, antwortete Hertha. »Nicht, weil ich eine Eich bin.«
Die Tochter war gegangen, einen Augenblick sahen die beiden Männer einander an. Dann nahm Herr Eich stumm seine Wanderung wieder auf. »Wenn Sie jetzt zehn Minuten für mich Zeit haben, Herr Eich?« fing Karl Siebrecht an.
»Nein, ich habe jetzt keine Zeit für Sie«, antwortete Herr Eich, »und auch Sie haben keine Zeit für mich. Wenn Sie sich umziehen wollen, werde ich Ihnen ein Zimmer zeigen lassen. Oder wollen Sie so bleiben?« Er sah gleichgültig den von der langen Fahrt zerdrückten Straßenanzug des anderen an. Er sagte: »Es geht natürlich auch. Es kommt nicht darauf an.«
»Wenn Sie jetzt eine Viertelstunde Zeit für mich haben«,wiederholte Karl Siebrecht unbeirrt, »möchte ich mit Ihnen über die Leerkilometer reden.« Er lächelte böse. »Da wir gewissermaßen noch nicht miteinander verwandt sind.«
Herr Eich blieb mit einem Ruck stehen. »Wir werden nie miteinander verwandt sein, junger Mann!« sagte er heftig. Wieder nahm er seine Wanderung auf, er sprach ruhiger: »Sie haben mich in jeder Richtung enttäuscht. Als ich sah,
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