Ein Mann will nach oben
wird alles fertig sein.«
»Frühestens in drei Wochen!« widersprach Herr Zenker, der sich wie mancher junge Künstler von seinem ersten Werk nicht trennen konnte. »Sie wissen, die Teppichleger haben mich im Stich gelassen, und die Kücheneinrichtung ist noch lange nicht fertig.«
»Es eilt nicht, Herr Zenker«, sagte Hertha Siebrecht. »Ich will meinen Vater erst noch nach Gastein begleiten. Auf ein paar Wochen kommt es nicht an, das meinst du doch auch, Karl?«
»Nein, natürlich nicht – ich meine, der Termin ist nicht so wichtig«, antwortete er mechanisch. Darum also war sie gekommen, nur darum, um ihm dies zu sagen. Eine Reise nach Gastein, sechs Wochen, acht Wochen, vielleicht ein Vierteljahr weiterer Aufschub … Vielleicht würde es ewig so weitergehen, sie entschloß sich nie, und er blieb immer weiter in seiner Fremdenpension sitzen, mit einer komplett eingerichteten Villa und einem hübschen Vorschußkonto bei der Firma. Ganz gedankenlos sagte er sein Ja oder Nein zu ihrer Meinung über die Stoffe. Als dann aber der Architekt nicht von ihrer Seite wich und Hertha durchaus mit zum Wagen bringen wollte, verabschiedete er ihn plötzlich. Wenigstens die paar Schritte durch den Garten wollte er allein mit ihr gehen. Es waren höchstens fünfzig Schritte, und er hatte ihr sehr viel zu sagen. So viel war es, daß er keinen Anfang finden konnte.
Dann sagte sie: »Es wird alles sehr schön, Karl, aber ich fürchte, ein wenig teuer. Willst du mir nicht erlauben, mich zu beteiligen? Lange & Messerschmidt werden dir einen Scheck von mir geben.«
»Nein, danke«, sagte er kurz. »Das ist meine Sache.« Er blieb stehen, aber wieder sagte er etwas, was er eigentlich nicht sagen wollte, er fragte sie: »Hast du mit dieser Malerin wegen des Südzimmers gesprochen?«
»Ja«, sagte sie. »War es dir nicht recht?«
»Du lieber Himmel!« rief er zornig und blieb plötzlich stehen. »Du kannst einen Mann wohl wahnsinnig machen! Werde ich dich je verstehen? Du gibst den Auftrag für ein höchst modernes und sehr hygienisch eingerichtetes Kinderzimmer, aber über meinen Architekten teilst du mir mit, daß du für acht Wochen oder ein Vierteljahr nach Gastein reisen willst! Ist dir klar, Hertha, daß wir heute zwei Monate und eine Woche verheiratet sind? Und daß du mir heute zum ersten Mal in dieser ganzen Zeit die Hand gegeben hast –?!«
»Komm!« sagte sie und berührte leicht die Schulter des Zornigen. »Laß uns noch ein paar Schritte durch den Garten gehen. – Hast du nie Angst gehabt, Karl, vor einer großen Entscheidung, vor alldem, was dann folgen mußte?«
»Doch ja«, antwortete er, noch immer zornig. »Ich habe in meinem Leben verschiedene Male Angst gehabt, die allerhundeerbärmlichste Angst von der Welt! Wenn ich aber merkte, daß ich solche Angst hatte, so habe ich alles getan, um möglichst schnell in die Lage zu kommen, vor der ich sie hatte. Und im Augenblick, wo ich drin war, war ich die Angst auch los! Hertha!« sagte er bittend. »Versuch doch, dich frei zu machen von diesem tatenlosen Zögern! Nichts kann so schlimm sein wie die Ängste, die dir deine Phantasie jetzt bereitet.«
»Du irrst«, sagte sie sanft. »Jetzt weiß ich doch noch, daß du mich liebst. Später vielleicht …«
»Aber ich bin ein Mann!« rief er. »Ich bin ein Mensch vonFleisch und Blut. Ich liebe dich, und ich will dich in meinen Armen halten. Ich will meine Liebe fühlen und schmecken. Ich will nicht nur träumen, daß ich dich in den Armen halte, und wenn ich aufwache, halte ich nichts mehr. – Ich bin es müde, mich von meiner Phantasie quälen zu lassen. Komm hierher, ich lasse dir alle Freiheit, aber wenigstens unter dem gleichen Dach will ich mit dir leben!«
»Wie du mich betrügst! Nach dem gleichen Dach kommt das gleiche Zimmer und das gleiche Bett. Hast du nie den Vers gelesen: ›Ach, in den Armen hab ich sie alle verloren, du nur, du wirst immer wieder geboren: weil ich niemals dich anhielt, halt ich dich fest‹?«
»Ja«, rief er bitter, »das bist du! Verse, Literatur – und danach möchtest du dein Leben einrichten, aus zweiter Hand! Was geht mich das alles an? Ich will meine Erfahrungen allein machen, und wenn sie bitter sind, sind es meine eigenen Bitternisse! Du lebst jetzt ein Leben, das andere für dich ausgedacht haben. Es gab einen Tag, an dem du mutiger warst! Es gab manchen Tag!«
»Und es wird wieder ein solcher Tag kommen«, sagte sie fast heiter. »Ich habe dich um Geduld gebeten, Karl,
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