Ein Mann will nach oben
hat?«
»Im Moment ein wenig öde und leer«, antwortete Karl Siebrecht und sah in sein Weinglas. Noch immer funkelte das Licht im Wein rubinfarben, aber es lockte nicht mehr, es bezauberte nicht mehr …
So blieben nur noch Gollmers … Ja, Gollmers waren nun wieder in Berlin seßhaft geworden und wohnten nicht weit von Siebrechts in ihrer alten Villa. Zu Anfang hatte sich Karl Siebrecht viel von diesen Freunden versprochen. Mit jener Naivität, die er auch als Mann behielt, bildete er sich ein, Hertha und Ilse müßten die besten Freundinnen werden. Aber rasch stellte sich heraus, daß die beiden einander nur wenig zu sagen hatten. Es schien nichts Gemeinsames zwischen ihnen zu geben. Wo Hertha zögernd, verhalten, unentschlossen war, war Ilse Gollmer aktiv, zugreifend, vielleicht ein wenig laut. Die lange Krankheit hatte ihren Lebensmut nicht brechen können. Sie neckte gern, lachte viel und wußte tausend kleine witzige, ein wenig boshafte Geschichten zu erzählen, alles Dinge, die Hertha Siebrecht tödlich langweilten. Erst durch den Umgang mit Ilse Gollmer entdeckte Karl Siebrecht, daß seine Frau nicht eine Spur von Humor besaß. So kam der Verkehr der beiden Damen über ein paar Versuche nicht hinaus. Aber dann und wann besuchte Karl Siebrecht seinen Teilhaber und alten Gönner im Grunewald. Längst hatte es Herr Gollmer aufgegeben, in allen möglichen Kommissionenfür ständig wechselnde Regierungen Beschlüsse zu fassen, die von den Ereignissen stets überholt waren. Er widmete sich mit Maßen seinen Geschäften, und er gab seinem jungen Freund immer mal wieder einen guten Rat.
Da saßen denn die beiden Herren bei einem Glase guten Burgunder, Herr Gollmer rauchte langsam eine Zigarre, und wenn Ilse gerade nichts anderes vorhatte, kam sie auch einmal herein. Aber sie hielt es nie lange aus. »Wie die alten Männer sitzt ihr da!« schalt sie. »Vater, du bist ein Mann in den besten Jahren, und Karl Siebrecht ist sogar noch in den guten Jahren, die viel besser als die besten sind. Ihr aber sitzt da, als ob ihr einschlafen wollt! Tut doch was!«
»Was sollen wir denn tun, Kind?« fragte Herr Gollmer bedächtig. »Siebrecht wird den ganzen Tag geschuftet haben, und ich habe, wenn auch nicht gerade geschuftet, mich doch angemessen betätigt. Was sollen wir denn noch tun? Wir haben Feierabend, Ilse!«
»Ach, tut irgendwas, meinethalben geht bummeln, aber schlaft bloß nicht ein! Siebrecht, am Kurfürstendamm haben sie eine entzückende Bar aufgemacht, wollen Sie mich da nicht einmal hinfahren?«
Er sah sie ein wenig belustigt an. »Sie wollen sich wohl unmöglich machen?« sagte er. »Mit solch einem alten Ehemann geht man doch nicht aus! Sie sind doch wahrhaftig nicht in Verlegenheit um Begleiter!«
»Alles Ausreden! Bloß faul sind Sie! Ich sollte Ihre Frau sein, ich wollte Sie schon in Gang bringen!« Unter seinem Blick wurde sie rot. »Bilden Sie sich bloß nichts ein!« sagte sie drohend. »Der Himmel bewahre jedes Mädchen vor einem Mann, wie Sie sind! Los, Siebrecht, ich stelle das Grammophon an, und wir tanzen einen Tango!«
»Sie wissen sehr gut, daß ich nicht tanzen kann, Fräulein Ilse!«
»Natürlich können Sie tanzen! Jeder Mensch kann tanzen! Aber Sie sind faul, Sie wollen nicht aus Ihrem Sessel aufstehen! Wie zwei schläfrige Krokodile liegt ihr da! So, und nunverabschiede ich mich, meine Herren! Damit Sie es wissen, Siebrecht, ich fahre noch in die Mexiko-Bar, und ein Platz in meinem Wagen ist frei!«
»Ich vertrage die Mixgetränke nicht, ich werde trübe davon!«
»Noch trüber kann Sie kein Getränk der Erde mehr machen! Gute Nacht, Vater, vergiß nicht, Herrn Siebrecht rechtzeitig um zehn Uhr zu wecken. Um elf muß er im Bett liegen. Gute Nacht, Siebrecht!«
»Gute Nacht, Fräulein Ilse. Amüsieren Sie sich gut!«
107. Herr von Senden braucht Geld
An einem schönen Junitag wurde dem Direktor des Berliner Bahnhof-Eildienstes der Herr von Senden gemeldet. »Das ist ein ungewohnter Besuch, Herr von Senden«, sagte Karl Siebrecht und schüttelte dem alten Freund die Hand. »Ich glaube, Sie waren noch nie hier auf meinem Büro.« Es hatte an Versuchen nicht gefehlt, daß auch Karl Siebrecht den Herrn von Senden »Du« und »Bodo« nannte, sie hatten darauf sogar mit aller Feierlichkeit Brüderschaft getrunken, aber immer wieder hatte das Sie sich eingeschlichen, das Du wollte Karl Siebrecht nicht über die Zunge. So war es denn beim alten geblieben, der Rittmeister, der ja auch
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