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Ein Mann will nach oben

Ein Mann will nach oben

Titel: Ein Mann will nach oben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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vielleicht dauert es nun nicht mehr lange.«
    »Ja, aber du hast deinem Vater versprochen, mit ihm nach Gastein zu fahren!« beharrte er.
    »Das Haus ist noch nicht fertig. Wenn das Haus fertig ist, erwarte seine Herrin!« Sie war jetzt fast fröhlich, sie gab ihm die Hand, und ehe sie in den Wagen stieg, reichte sie ihm rasch und heiter den Mund.
    Dann wurde das Haus fertig, und er zog aus der Lietzenburger Straße nach Nikolassee. Schnell entdeckte er, daß es nicht so leicht sein würde, zu dem billigen Leben früherer Tage zurückzukehren: das Haus erforderte, nur mit ihm als Bewohner, zwei Mädchen und eine Köchin, und zum Frühjahr würde er noch einen Mann einstellen müssen, eine Mischung aus Gärtner, Diener und Chauffeur, das Haus verlangte es so. Dunkel begann er zu ahnen, was erst nötig seinwürde, wenn auch die junge Frau hier wohnte, wenn Kinder da waren.
    Herrn Zenkers Tätigkeit hatte einen hübschen Packen unbezahlter Rechnungen hinterlassen, sie füllten einen ganzen Ordner. Trotzdem zürnte er diesem jungen begeisterungsfähigen Menschen nicht. Das Haus war schön geworden, wenn es auch nicht sein Haus war, er wohnte darin nur als Gast. Das würde vielleicht erst anders werden, wenn Hertha hier mit ihm wohnte, dann würde er persönliche Beziehung zu den Möbeln, den Büchern bekommen. Aber Hertha war nun wohl längst in Gastein. Die Briefe, die vom Eichschen Büro kamen, trugen nie mehr die Unterschrift des alten Herrn. Das Haus war fertig, aber seine Herrin ließ auf sich warten …
    Dann, an einem grauen, nassen Novemberabend, kam Karl Siebrecht nach Haus. »Ich möchte möglichst gleich essen, Ella«, sagte er zu dem Mädchen. »Ist alles fertig?«
    »Jawohl, Herr Direktor. Ich werde sofort anrichten.« Sie lächelte ihn an, erst hinterher fiel ihm auf, wie seltsam sie ihn angelächelt hatte.
    Er wusch sich die Hände und ging in das große leere Speisezimmer, in dem er ganz allein aß, nur Ella stand seitlich von ihm am Büfett. Er setzte sich, und im ersten Augenblick bemerkte er gar nicht, daß zwei Gedecke auf dem Tisch lagen. Dann sah er es, begriff es aber noch nicht, er sah fragend zu dem Mädchen hin. Das Mädchen Ella lächelte wieder auf diese seltsame Art. »Die gnädige Frau kommt sofort.«
    »Schön, Ella«, antwortete er. »Sehr schön. Sehen Sie, daß alles gut warm bleibt. Ich warte.« Und er griff zu einem Brötchen und brach es in der Mitte durch. Dies war die ruhige Art, in der ein überlegener Mann solche Situationen meisterte! Gut, sehr gut! Schön, sehr schön! Das Mädchen nahm natürlich an, daß er von der Ankunft seiner Frau unterrichtet war – er durfte sie um keinen Preis etwas merken lassen. Dann wich langsam die Lähmung von ihm, die ihn bei der plötzlichen Nachricht ergriffen hatte. Es wurde ihm klar, daß sie in sein Haus, in ihr Haus gekommen war, daß sie zu ihmgekommen war! Daß die Zeit des Wartens vorüber war. Daß es nun nur an ihm lag, sie zu halten! Eine Freude, plötzlich wie ein Schlag, packte ihn, der Freude folgte die Angst, daß sie vielleicht wieder nur für einen kurzen Besuch gekommen wäre, für ein, zwei Stunden. Er hob den Kopf, er sah das Mädchen an. »Viel Gepäck, Ella?« fragte er.
    »Ein Schrankkoffer«, gab Ella Auskunft, »und ein paar Handkoffer. Der Chauffeur sagte, das meiste Gepäck kommt erst morgen.«
    Und wieder sagte er, ganz wie sein Schwiegervater: »Schön, sehr schön!«
    Plötzlich hielt er es nicht mehr aus. Was für ein Idiot war er, daß er hier saß und sich mit dem Mädchen Ella unterhielt, und die junge Herrin hielt endlich, endlich ihren Einzug! »Ei nen Augenblick, Ella!« sagte er. »Halten Sie das Essen gut warm!«
    Er lief aus dem Zimmer, er lief die breite Treppe von der Halle zum Oberstock hinauf. Er klopfte kaum gegen die Tür, er lief in ihr Zimmer. Da stand Hertha im Unterkleid, ihre Arme und Schultern waren bloß. Sie hielt ein Kleid in den Händen, das sie eben aus dem Koffer genommen hatte. Er starrte sie an. Dann sagte er langsam: »Ist es soweit, Hertha?«
    Sie hob ihm die Hände entgegen. Das Kleid glitt zur Erde. »Komm«, flüsterte sie. »Komm. Ja, es ist soweit.«
    Als sie dann beide in das Speisezimmer hinunterkamen, hatte Ella trotz aller Ermahnungen des Hausherrn das Essen doch kalt werden lassen: es gab nur Aufschnitt. Aber Ella wurde darum nicht getadelt, es gibt eben doch bestimmte Grenzen, über die hinaus man Essen einfach nicht mehr warmhalten kann!

SECHSTER TEIL • ILSE

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