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Ein Mann will nach oben

Ein Mann will nach oben

Titel: Ein Mann will nach oben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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er. »Das tut gerade gut, sich ordentlich durchpusten zu lassen. Und wenn die Kleider hinüber sind, gibt’s neue, ich verdiene ja genug Geld!«
    »Jetzt noch«, sagte sie warnend. »Hat denn der Felten noch imma keenen neuen Jungen?«
    »Ach, der! Der ist, glaube ich, mit mir so zufrieden, daß er gar nicht mehr nach einem neuen sucht. Nicht mal gejammert hat er, als er mir meine zwanzig Mark ausgezahlt hat!«
    »Und wie is det uff de Zeichenstube?«
    »Auch im Lot, Rieke! Alles im Lot! Beim Oberingenieur bin ich Hahn im Korbe. Da sitze ich fest, auf der Zeichenstube kann ich hundert Jahre alt werden.«
    Ach, der ahnungslose Knabe Karl! Wohl hatte er bei Rektor Tietböhl die Schillersche Ballade vom Ring des Polykrates auswendig lernen müssen, aber die richtige Nutzanwendung dazu, das Inwendige gewissermaßen, mußte ihm erst ein besserer Lehrer beibringen: das Leben selbst. Hundert Jahre sicherer Sitz in der Zeichenstube? Dieser ahnungslose Knabe – keine hundert Stunden saß er mehr sicher … Denn gegen Mittag des nächsten Tages öffnete sich die Tür der Zeichenstube,und herein trat, an der Spitze einer Kommission, die er herumführte in seinem ausgedehnten Betriebe – herein also trat Herr Kalubrigkeit selbst, kurz, fett, schwärzlich, wiederum in einem Gehpelz, aber in einem noch viel feineren als damals auf der Baustelle, das sah Karl Siebrecht sofort. Karl Siebrecht trat in den Schatten eines großen Schrankes, Herr Kalubrigkeit machte eine umfassende, doch unsichere Geste durch den ganzen Raum: »Herr Oberbaurat! Meine Herren! Das sind nu alles meine Malersch!« Er schwieg, schielte unsicher auf das nächste Reißbrett, sah hastig weg und schwieg weiter. In der Gruppe, der er sich nun wieder zuwandte, wurde einiges gemurmelt. »Na ja«, sagte Herr Kalubrigkeit. »Da ist ja wirklich nicht viel zu sehen. Das ist ja immer dasselbe. Ich komme nie her. Gehen wir rauf, meine Herren, Herr Oberbaurat! Eine Treppe höher, da ist meine Finanzabteilung. Siebenundzwanzig Angestellte, die beiden Prokuristen nicht gerechnet –«
    Seine Stimme verlor sich im Füßescharren der Auswanderer. Karl Siebrecht atmete auf – es wäre ihm doch nicht angenehm gewesen, hier vor allen Kollegen … Übrigens hatte er in der Gruppe der Besucher sehr wohl den Herrn von Senden gesehen, dem hätte er gern guten Tag gesagt, aber es hatte sich wirklich nicht so gemacht. Auch die anderen Zeichner atmeten auf: je seltener der Chef kommt, um so gefürchteter ist er, um so leichter schlug jetzt wieder das Herz. Sie steckten die Köpfe zusammen, das Wort von den »Malersch« kursierte. Einige grinsten dazu, andere waren empört, vor allem Herr Feistlein. Oberingenieur Hartleben ging unermüdlich den langen Gang auf und ab, er sorgte dafür, daß allmählich wieder Ruhe wurde. Karl Siebrecht saß schon längst an seinem Zeichentisch, die Reißschiene klapperte, mit einem sanften Schnurren glitt die Reißfeder um das Kurvenlineal. Hinter ihm, über seine Schulter, sagte der Oberingenieur Hartleben: »Das war unser Chef, Karl. Kanntest du ihn schon?«
    »Doch, ich habe ihn schon mal gesehen«, antwortete der Junge, ohne hochzublicken.
    »Da regen sie sich künstlich auf«, sagte der Oberingenieurimmer in seinem Rücken, »weil er sie ›Malersch‹ genannt hat, wo sie doch Zeichner sind. Sie sind empört, daß er ihre Arbeit nicht richtig würdigt. Aber keiner zieht die Konsequenzen und geht. Auch ich nicht. Verstehst du das, Karl? Es müßte dich eigentlich empören.«
    »Jeder hängt an seinem Brot«, sagte Karl Siebrecht und blies sanft auf die Zeichnung, damit die Tusche schneller trocknete. »Auch ich hätte gerade jetzt meinen Posten ungern verloren.«
    »Wir sagen alle immer ›gerade jetzt‹, Karl! Wir sind alle feige. Wir sind ein feiges Geschlecht geworden«, rief der Oberingenieur bitter.
    »Gerade hier in Berlin habe ich das nicht gefunden«, antwortete Karl Siebrecht und dachte an Rieke Busch. »Ich finde, die Leute sind hier unglaublich zäh und mutig.«
    »Und hast dich doch im dunklen Schrankwinkel versteckt, Karl!« sagte eine andere, etwas schleppende, etwas näselnde Stimme hinter ihm. »Ich habe dich wohl gesehen.«
    Karl Siebrecht sprang auf. Sein Ärmel verwischte die noch nicht trockene Tusche, aber das sah er jetzt noch nicht. »Herr von Senden!« rief er und freute sich. »Ich habe Sie auch gesehen. Ich freu mich …«
    »Siehst du, Karl, das ist hübsch von dir«, meinte der Rittmeister, »und am hübschesten

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