Ein Mann will nach oben
irreführen. »Das ist ja der Kerl aus Pankow!« schrie Herr Kalubrigkeit, und seine Stimme wurde gellend. »Das ist ja der rote Hetzer, den ich vom Bau geschmissen habe! Das ist ja der Lump, der meinen Koks und mein Holz verschenkt, das ist der Kerl, der mir meinen Polier abspenstig machen wollte, der mir tausend Schwierigkeiten mit diesen Trockenmietern gemacht hat! – Was machen Sie denn hier –?!« Jetzt rückte der Kalubrigkeit dem Siebrecht direkt auf den Leib, und wie essich gehört, wurde er dabei immer intimer. »Was hast du auf meiner Zeichenstube zu suchen?! Willst du etwa meine Maler aufhetzen, du Anarchist, du –?!«
»Einen Augenblick bitte, Schwager«, ließ sich Herr von Senden vernehmen, aber seine Stimme klang nur schwach gegen das Gebrüll des Selfmademannes.
»Keinen Augenblick, Schwager! Machst du, daß du von meinem Büro kommst, du Lümmel, du?! Auf der Stelle verschwindest du, oder ich lasse dich wegen Hausfriedensbruchs einstecken! Ich zähle bis drei – und wenn du dann nicht fort bist –! Eins – zwei – drei –!«
Vor sich das unabwendliche Ende, war Karl Siebrecht ganz ruhig geworden. Er hatte nicht die geringste Ursache, sich vor irgendwem zu verkriechen. So hatte er gelassen das »drei« abgewartet, und als ihn nun der Kalubrigkeit ansah, vor Wut fast berstend und doch schon voller Hohn, weil der Junge sich eines Hausfriedensbruches schuldig gemacht hatte, sagte er: »Ich bin hier Bauzeichner bei Ihnen, Herr Kalubrigkeit, fest angestellt. So ganz ohne weiteres können Sie mich nun wohl doch nicht heraussetzen, glaube ich!«
»Bauzeichner!« schrie Herr Kalubrigkeit, nun brüllte er wirklich schon wie ein wilder Ochs. »Welcher Kerl hat die Unverschämtheit gehabt, diesen Lumpen hier einzustellen?! Ich schmeiße den Kerl raus!«
»Welcher Lump«, schrie nun auch Karl Siebrecht und trat dicht an Herrn Kalubrigkeit heran, »welcher Lump hat Ihnen das Recht gegeben, mich einen Lumpen zu nennen?!« Er fühlte eine Hand auf seiner Schulter, er sah sich rasch um, es war die Hand des Rittmeisters. Unwillig schüttelte er sie ab, er schrie: »Sagen Sie das noch einmal, und Sie fliegen aus Ihrer Zeichenstube heraus, Herr Kalubrigkeit!«
Angesichts solcher Bedrohung hörte Herr Kalubrigkeit sofort mit Brüllen auf. »Ich will wissen, wer diesen Menschen eingestellt hat.«
»Ich, Herr Kalubrigkeit«, sagte der Oberingenieur, aber von irgendwelchem Männermut vor Fürstenthronen war aus seinenWorten nichts zu hören. Im Gegenteil, Herr Hartleben war sehr bleich, seine Stimme schwankte, er hielt das Auge gesenkt und sah weder seinen Brotherrn noch Karl Siebrecht an. Karl Siebrecht sah das wohl, er sah auch – mit einem flüchtigen Blick – die gespannten Gesichter seiner Kollegen, die erschrocken und doch irgendwie erfreut über diese anregende Unterbrechung ihrer Arbeit wirkten. Er sah aber auch den schmissigen Herrn Feistlein, der Schritt für Schritt leise der verhandelnden Gruppe näher zog: wo der Löwe jagt, wittert die Hyäne Beute.
»Warum haben Sie den Mann eingestellt?« fragte Herr Kalubrigkeit.
»Ich …« Der Oberingenieur hob nun doch das Auge und sah in der Richtung des Herrn von Senden. Aber von da kam kein Wort. Herr von Senden betrachtete nachdenklich die Asche seiner Zigarette, dann schnippte er sie mit dem langen rosigen Nagel ab.
»Nun –?« drängte Herr Kalubrigkeit.
»Der junge Mann ist ein ganz fähiger Zeichner – für seine Jahre«, sagte der Oberingenieur, als gar keine Hilfe kam. »Ich hatte natürlich keine Ahnung, daß Sie ihn schon hatten tadeln müssen, Herr Kalubrigkeit.«
»Ich habe den Bengel vom Bau geschmissen!« schrie in einem neuen Wutanfall der Unternehmer.
»Hätte ich das gewußt, ich hätte natürlich nie –«
»Und das nennen Sie einen fähigen Zeichner, Herr Hartleben?« rief Herr Kalubrigkeit und deutete auf das Reißbrett des Jungen. »Dies Geschmier nennen Sie wohl eine Bauzeichnung?! Ich muß mich doch sehr wundern, Herr Hartleben, darüber sprechen wir noch –«
Und wahrhaftig, was da auf dem Reißbrett von Karl Siebrecht zu sehen war, sah nicht nach einer Bauzeichnung aus. Der Jackenärmel des hochfahrenden Jungen hatte gründliche Arbeit geleistet: es war Geschmier! »Ich verstehe es nicht«, stammelte der Oberingenieur. »Er hat sonst nie –«
Auch jetzt nicht die geringste Hilfe von Herrn von Senden. Dafür sagte Herr Feistlein schneidig: »Entschuldigen Siedie Unterbrechung, Herr Kalubrigkeit! Ich möchte
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