Ein Mann will nach oben
wert!«
»Stimmt! Alles, was wahr ist! Aber rechnen kannst du nicht, Karl! Wenn ich mir nun einen Laufburschen für zwölf Mark nehme –«
»Was der schon tut für zwölf Mark in der Woche! Das ist doch Bruch, Herr Felten!«
»Gewiß wird er weniger tun als du, Karl. Aber der ist dann zehn, elf Stunden hier, und in der Zeit schafft er für seine zwölf Mark eben doch soviel wie du für deine zwanzig in vier Stunden! Da habe ich doch recht, Karl?« Karl schwieg. »Na, ich will nicht so sein, Karl. Ich will dich ja auch nicht auf zwölf Mark runtersetzen, aber von der nächsten Woche an sagen wir fünfzehn, was? Ich kann doch kein Geld an dir verlieren!«
Karl Siebrecht war so verblüfft über diesen unerwarteten Ausgang seiner Forderung auf Lohnaufbesserung, daß er eine ganze Weile schwieg. Dann sagte er ärgerlich: »Tut mir leid, Herr Felten. Für weniger als zwanzig Mark arbeite ich nicht. Dann mache ich Schluß!«
»Du wirst es dir überlegen, Karl«, sagte Felten gleichmütig. »Jetzt, wo das Fest vorbei ist und wir den stillen Januar haben, gibt es Laufburschen wie Heu.«
Während Karl Siebrecht mit seinem vollen Dreirad mühselig gegen den feuchten Wind anstrampelte, mußte er immer an die letzten Worte von Felten denken: der Mann hatte ja recht! Es war Januar geworden, es war nicht mehr die überhasteteWeihnachtszeit. An vielen Geschäften ging die Ladenklingel nur für die Umtauschenden, faule Geschäfte, stille Zeit. Es war ein verdammt schlechter Zeitpunkt, den sich Karl Siebrecht da zum Arbeitswechsel ausgesucht hatte. Schließlich mußte er in den sauren Apfel beißen und sich mit den fünfzehn Mark einverstanden erklären. Aber nein, das tat er nicht, den Gefallen tat er dem Felten nicht! In der nächsten Woche würde ihn der Mann auf zwölf Mark heruntersetzen und so immer weiter! Felten hatte es eben doch gerochen, daß auf der Zeichenstube Schluß war. Es war eine Dämlichkeit gewesen, den Mann erst auf diesen Gedanken zu bringen – aber darum willigte er doch nicht ein. Zwanzig Mark oder Schluß. Und was dann? fragte eine leicht besorgte Stimme. Ach was! Gerade als Karl Siebrecht dies »Ach was!« dachte, kippte das Dreirad. Von Natur kippen Dreiräder, namentlich wenn sie stark belastet sind, nicht leicht. Aber das Pflaster war durch den nassen Wind von einer leichten Eisschicht überzogen, bei der Fahrt um eine Ecke war das Rad erst gerutscht, dann gegen die Bordschwelle geschlagen, an dieser Bordschwelle kippte es …
Ach was! hatte Karl Siebrecht gerade gedacht, und laut rief er: »Da haben wir den Salat!« Da lag er schon auf dem Bürgersteig, halb begraben unter seinen Stoffpaketen.
»Da hast du den Salat!« antwortete ihm eine andere lachende Stimme, und jemand machte sich daran, die Pakete von ihm abzuräumen.
Sofort dachte Karl Siebrecht an den Handwagen in der Wiesenstraße und den Dieb Fritz Krull. Mit einem Ruck machte er sich frei, sprang auf die Beine und schrie: »Hände weg von meinen Paketen!«
»Sachte, sachte!« lachte der andere. »Denkst du, ich bin so einer? Von mir aus kannst du dir deine Pakete sauer kochen!« Sie sahen sich lachend an, im Schein der Gaslaterne, und sie gefielen sich beide vom ersten Augenblick an.
Der andere war auch ein Junge, vielleicht zwei, drei Jahre älter als Karl Siebrecht und darum auch breiter, kräftiger, wennschon kleiner. Es war ein dunkler Junge mit einemziemlich gebräunten Gesicht. Fein war er auch nicht gerade gekleidet. Er hatte braune derbe Schuhe an, eine blaue Hose, einen blauen Sweater, unter dem ein blaues Hemd hervorschaute, und eine blaue Schirmmütze. Eigentlich sah er wie ein Matrose aus. Unwillkürlich fragte Karl Siebrecht: »Du bist wohl nicht von hier? Du bist wohl aus Hamburg?«
»Nein!« lachte der. »Aber ich komme aus Bremen. Ich bin vom Schiff ausgerissen, verstehst du. Zuviel Schacht, und der Smutje gab mir nie was zu fressen.«
»Was ist Schacht?« fragte Karl Siebrecht. »Und was ist ein Smutje?«
»Schacht sind Prügel, und Smutje ist der Koch«, sagte der andere schnell. »Wollen wir nun die Pakete im Dreck liegen lassen, oder wollen wir sie wieder aufladen?«
»Aufladen!« Der Junge gefiel ihm immer besser. »Aber wir brauchen sie nicht wieder zu packen. Zehn Häuser weiter lade ich ab – das Stück schiebe ich.«
»Gemacht!« sagte der andere, und schweigend luden die beiden auf.
»Na denn! Ich danke dir auch schön«, sagte Karl Siebrecht, als sie damit fertig waren.
»Warte! Das Stück gehe
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