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Ein Mann will nach oben

Ein Mann will nach oben

Titel: Ein Mann will nach oben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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zuviel, sagte der Pastor, da fiel er ins Jaucheloch. So bin ich denn ausgerissen, und heilfroh sind die, daß ich von Bord bin, darauf kannst du dich verlassen! Ich bin ja doch nur deren Jonas gewesen, verstehst du? So nennen sie den, der dem Schiff Unglück bringt. Weißt du, der Jonas gehört eigentlich in einen Walfischbauch und nicht an Bord.«
    »Und was willst du nun anfangen, Kalli?«
    »Mir hier Arbeit suchen! In Berlin gibt’s für alle Arbeit. In Berlin kommt jeder hoch, so sagen sie doch überall, also wird es schon wahr sein. Ich hätte auch schon Arbeit, bloß –«
    »Bloß –?«
    »Es ist, weil ich nichts im Magen hatte, Karl! Auf der Spree liegen doch jetzt die Äppelkähne, das geht den ganzen Tag: der eine holt sich einen Sack voll, und die Hausfrauen kommen mit ihren Taschen. Da kann man einen guten Tagelohn machen, wenn man auf Draht ist.«
    »Und warum hast du keinen guten Tagelohn gemacht, Kalli?«
    »Weil ich umgekippt bin! Ich hab Pech gehabt. Gleich der erste, dem ich mich anbot, hat anderthalb Zentner Äpfel gekauft. Ich den Sack auf den Buckel – anderthalb Zentner sind sonst gar nichts für mich! Aber bedenke, seit Bremen – das sind nun drei Tage – habe ich kaum was in den Magen gekriegt.An der zweiten Straßenecke waren plötzlich meine Beine weg, ich lag da, und aus dem geplatzten Sack rollten die Äpfel über die ganze Straße. Da habe ich gleich wieder Dresche gekriegt, meine erste Berliner Dresche! Von da an war mein Mumm weg. Immer wenn ich mich wem anbieten wollte, dachte ich: der knallt mir wieder anderthalb Zentner auf den Rücken. Aber morgen, mit deinen Butterbroten im Leibe –«
    »Was morgen wird, das werden wir noch sehen! Jetzt schläfst du erst mal hier, und morgen, ganz zeitig, bin ich wieder da und lasse dich raus. Ich schließ dich ein, das darfst du mir nicht übelnehmen.«
    »I wo! Ich werde schlafen, sage ich dir!«
    »Und paß gut auf, mit dem Licht und dem Feuer! Bist du auch wirklich satt? Na schön, morgen früh bringe ich mehr, Kalli, auch eine Kanne Kaffee. Gute Nacht, Kalli!«
    »Gute Nacht, Karl! Gott, werde ich schlafen!«
    »Ich auch, Kalli! Gute Nacht!«

20. Später Besuch und Streit

    Karl Siebrecht stürmte in die Buschsche Küche, den Magen voll Hunger und die Zunge voll Plauderbedürfnis. Denn wenn er auch der Rieke nichts von seiner Entlassung aus dem Zeichensaal erzählen wollte, so doch um so mehr von seinem neuen Freunde Kalli Flau – denn daß der ein richtiger Freund fürs Leben werden würde, das fühlte er schon. Die Rieke aber stand auf seinen Gruß nicht von der Maschine auf, sondern rief nur »’n Abend« und ließ das ewige Teufelsding weiterschnurren. Statt ihrer aber erhob sich ein langer Mann vom hölzernen Bretterstuhl am Herde, und der Rittmeister von Senden sagte: »Guten Abend, mein Sohn Karl. Spät kommst du, doch du kommst.«
    »Guten Abend«, sagte Karl Siebrecht, übersah aber die ihm hingehaltene Hand, hatte die eigenen Hände auf den Rücken gelegt und sah den Rittmeister feindlich an. »Hat Ihnen IhrSchwager, der Herr Kalubrigkeit, diesen Besuch auch erlaubt, oder sind Sie wieder einmal ohne sein Vorwissen unterwegs?«
    »Ohne sein Vorwissen, Karl, ohne sein Vorwissen natürlich!« lachte der Rittmeister ohne alle Übelnehmerei. »Ganz nach meiner verkrochenen und feigen Natur, nicht wahr, Karl?«
    »Bei mir witzeln Sie das nicht weg«, antwortete der Junge böse, »daß Sie den Herrn Hartleben feige im Stich gelassen haben. Sie
hatten
mich ihm empfohlen. Ich habe auf der Schule nie recht kapiert, was ›zynisch‹ bedeutet – bei uns daheim in der Kleinstadt war keiner so. Aber seit ich Sie kenne, Herr von Senden, weiß ich es: zynisch heißt hündisch, und hündisch ist, wer sich auch seiner Schande nicht schämt!«
    Einen Augenblick war es still in der Stube, sogar die Maschine hatte zu nähen aufgehört. Dann fing sie wieder an zu rattern, und der Rittmeister sagte sanft: »Du machst es einem Freunde nicht leicht, Karl«
    Wild rief der Junge: »Sie sind nie mein Freund gewesen, und ich will auch nicht, daß Sie je meiner werden!«
    »Doch! Doch!« sagte der Herr von Senden unbeirrbar. »Ich bin dein Freund, Karl, daran kannst du nun wirklich nichts ändern. Das hängt ja nun nicht allein von dir ab. Und was nun mein Eintreten für den Oberingenieur Hartleben angeht –«
    »Ich will keine Erklärungen! Ich habe es mit meinen eigenen Augen gesehen, wie feige Sie sich benommen haben. O so feige – ich habe mich

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