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Ein Mann will nach oben

Ein Mann will nach oben

Titel: Ein Mann will nach oben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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für Sie geschämt, Herr Rittmeister!«
    »Was aber hätte es in jenem Augenblick dem Hartleben genützt, wenn ich für ihn eingesprungen wäre? Mein Schwager hätte ihn doch herausgesetzt, denn mein Schwager war im Zorn. Nun habe ich hinterher ruhig mit ihm gesprochen und habe Erfolg gehabt: Herr Hartleben bleibt.«
    »Ja«, sagte der Junge bleich vor Zorn, »damit hat Ihr Schwager Sie dafür bezahlt, daß Sie den Oberbaurat bei den Kaviarbrötchen rumgeschwatzt haben! Oh, wie das alles stinkt – selbst wenn ihr etwas Anständiges tut, ist es noch unanständig!«
    Er wandte sich ab und ging zum Fenster. Dabei sagte er imVorbeigehen zu Rieke: »Mach mir ein bißchen zu essen, Rieke. Ich habe schrecklichen Hunger – der geht doch gleich.«
    »Mein lieber Junge«, sagte der Herr von Senden, »ich glaube, du gehst ein wenig streng mit mir ins Gericht. Wäre ich arm und nicht der Schwager des Herrn Kalubrigkeit, du würdest milder über mich urteilen.«
    »Aber Sie sind nicht arm, Sie haben es nicht nötig, Schlechtes zu tun, wie mancher Arme leider muß!«
    »Was dir auch dein Gefühl über mich sagt, Karl, dein Verstand muß dir bestätigen, daß meine Methode die erfolgreichere ist. Trotz deiner Tapferkeit und deines Opfermutes lägen die Trockenmieter heute auf der Straße – verzeih, wenn ich dich daran erinnere! –, und Herr Hartleben wäre ohne Stellung!« – Der Junge schwieg finster, er sah in die Nacht hinaus. – »Aber reden wir nicht mehr vom Vergangenen«, fuhr der Rittmeister fort, setzte sich wieder auf den Bretterstuhl und schlug die Beine übereinander. Schon hatte er sein goldenes Zigarettenetui in der Hand. Schon brannte die Zigarette. »Reden wir von der Zukunft, von deiner Zukunft, Karl. Du hast deine Stellung verloren – was gedenkst du zu tun? Oder besser: was kann ich für dich tun, Karl?«
    »Nichts!«
    »Sage das nicht«, meinte der Rittmeister. »Ich weiß, du hast Mut und gute Anlagen. Aber du wirst zehn Jahre deines Lebens verlieren, um dich aus dem Gröbsten herauszuarbeiten. Wenn ich dir beistehen darf, wirst du von diesen zehn Jahren sechs oder sieben ersparen. Denke, sieben Jahre mehr Lebensarbeit, die dich freut! Das kann dich doch nicht freuen, den Laufburschen zu spielen, Karl?«
    »Doch, das freut mich, Herr Rittmeister!«
    »Aber wieso? Jeder Stiesel kann sich auf ein Rad setzen und Pakete an irgendeiner Wohnungstür abgeben!«
    »Aber ich lerne die Stadt dabei kennen! Berlin! Und die Leute, die Berliner!«
    »Richtig, du willst ja Berlin erobern, und was man erobern will, das muß man kennen!«
    »Ich hätte Ihnen das nie erzählen sollen, Sie verhöhnen mich bloß …«
    »Aber ich verhöhne dich nicht! Es ist doch wahr, was ich sage. Und auf meine eigene –« er lächelte, »natürlich verkrochene und zynische Art, glaube ich sogar daran, daß du Berlin erobern wirst – auf deine Weise, nämlich für dich. Wahrscheinlich bin ich heute noch der einzige Mensch, der dir das zutraut.«
    »Sind Se nich!« rief Rieke. »Ick ooch!« Nachdem sie Karl seine Stullen zurechtgemacht hatte, war sie nicht wieder an ihre Maschine gegangen. Sie war am Küchentisch stehengeblieben und hatte dem Gespräch zugehört. Nun wandte sie dem Besucher ihr schmales Gesicht zu.
    »So?« fragte der Rittmeister. »Sie auch, Fräulein? So sind wir also schon zwei, die an ihn glauben. Und bald werden es fünfzig sein, und später hundert und noch später Tausende. Aber daß das nicht zu spät wird, daß er dann nicht schon seine beste Kraft verausgabt hat, darum möchte ich ihm rascher vorwärtshelfen, das verstehen Sie doch, mein kleines Fräulein?«
    »Det vasteh ick schon! Aba …«
    »Einen Augenblick! Meinen Sie nicht, er würde das vielfältige Gefüge einer Stadt wie Berlin besser kennenlernen –« der Rittmeister sprach jetzt nur noch zu Rieke –, »wenn ich ihn beispielsweise in einer Großbank unterbrächte? Da würde er sehen, wie das Geld hierhin und dorthin fließt, wie es aus trockenem Sand Städte aufblühen läßt und Industrien entstehen, in denen Zehntausende ihr Brot finden. Er würde es lernen, diesen Geldstrom dorthin zu lenken, wo er am meisten Früchte trägt, zum Segen der Stadt Berlin. Ich könnte ihn gut in einer solchen Bank unterbringen, ich sitze zufällig in einem Aufsichtsrat –«
    »Ich will mich nicht wieder auf ein Büro setzen. Ich tauge nicht dafür!«
    »Nun gut, er sagt, er taugt nicht fürs Stillsitzen. Auch gut. Aber, Fräulein, sein Oberingenieur auf der

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