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Ein Mann will nach oben

Ein Mann will nach oben

Titel: Ein Mann will nach oben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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Rieke. »Hier bin ick ja. Siehste mir denn nich, Walter? Komm, setze dir. Dachtste, ick war weg?Ick bin imma da! Deine Rieke valäßt dir doch nich, Walter. Du bist doch mein Bester –!« Und sie warf einen flehenden Blick zu Karl Siebrecht hinüber.

22. Es geht um Geld

    Der alte Busch schlief wieder. Tilda war noch bei der Nachbarin. Es ging auf Mittag, aber keines hatte Hunger. Die Küche war kalt, aber keines dachte daran, das ausgegangene Feuer wieder anzuzünden. Sie saßen alle drei um den Tisch herum. Kalli Flau hatte beide Unterarme auf den Tisch und das Kinn daraufgelegt, mit fest geschlossenen Augen blinzelte er ein Häuflein Geld an, das in der Mitte des Tisches lag. Dazu pfiff er leise und melancholisch.
    Rieke Busch saß vornübergebeugt mit gesenktem Kopf. Die fleißigen Kinderhände lagen halb geöffnet und tatenlos in ihrem Schoß. Auch sie sah auf das Geld, aber mit weit offenen Augen, die blaß schienen. Ihre Zähne nagten an der Unterlippe, auf ihrer Stirn stand eine senkrechte Grübelfalte.
    Karl Siebrecht schließlich hatte sich ganz zurückgelehnt, er wippte auf den zwei Beinen des Stuhls. Als einziger sah er nicht auf das Geld, sondern zur Decke. Die Geldansammlung auf dem Tisch stammte fast ganz von Karl Siebrecht. Es waren die 60,– Mark halber Monatslohn, die er gestern auf der Zeichenstube ausbezahlt erhalten hatte, 43,55 Mark, die er auf sein Sparbuch geholt hatte, und 7,62 Mark, die noch in seiner Tasche gewesen waren. Dazu kamen 13,17 Mark aus Riekes Besitz; –,62 Mark aus Tildas Sparbüchse;
    –,06 Mark aus Kalli Flaus Vermögen; und
    5,11 Mark, die sich in des Maurers Busch Taschen gefunden hatten.
    130,13 Mark lagen dort auf dem Tisch. Jedem von dendreien hatte sich diese Zahl fest eingeprägt; mit ihren beiden 13, die eine Null umgaben, schien sie ihnen von unheilvoller Vorbedeutung zu sein.
    Nach einer langen Zeit sagte Rieke: »Er wird ooch mit zweihundert zufrieden sind, Karle. Verlaß dir druff.«
    »Ich habe ihm zweihundertfünfzig versprochen, und er kriegt auch zweihundertfünfzig!« sagte Karl Siebrecht. »Ich will auch so einem Kerl Wort halten.« Und wieder wurde es still in der Küche.
    119,87 Mark – das war die zweite Zahl, die sich den dreien in der Küche eingeprägt hatte. Das war die Summe, die bis zum Abend herbeigeschafft werden mußte, Karl Siebrecht hatte es versprochen. 119,87 Mark, eine phantastische Summe, weit über die Möglichkeiten von Handerwerb hinaus. »Ich werde meinen Sonntagsanzug und meine guten Schuhe verkloppen«, sagte Karl Siebrecht.
    »Nischt!« antwortete Rieke sofort. »Denn kannste nie ’ne bessere Stelle annehmen, Karl! Eher verklopp ick die Maschine!«
    »Einmal gehört die Maschine dir noch nicht, und dann bleibt sie überhaupt hier!« Und wieder herrschte Schweigen in der Küche.
    Dann sagte Rieke Busch vorsichtig: »Ich wüßt ’nen reichen Mann, der dir gleich helfen täte, Karle.«
    »Nie«, sagte Karl Siebrecht, ohne seine Stellung zu verändern. »Nie!«
    »Nicht jeschenkt, Karl, bloß jeborgt!«
    »Nie, Rieke, das weißt du wohl.«
    »Ick will dir ooch nich zureden. Ick meine bloß …« Und wieder Schweigen.
    Dann stand Karl Siebrecht mit einem Ruck auf. »Also los, Rieke, es hilft nichts. Wir werden deine Mäntel so, wie sie sind, bei Felten abliefern: fertig, halbfertig, unfertig. Wir machen einen letzten Schwindel von deiner Mutter – und dann ist mit allem Schwindel Schluß für immer!« Vor Mitleid wurde er ärgerlich: »Ach, kuck nicht so, Rieke. Heule dannlieber! Du wirst noch viele Mäntel in deinem Leben nähen können!«
    »Er wird uns so jut wie nischt dafor zahlen, der Felten, wenn er merkt, wir broochen Jeld!«
    »Wir lassen es ihn eben nicht merken! Los, Kalli! Rieke, sage uns, was wir zusammenpacken sollen. Wir machen zwei große Packen für uns, Kalli, und einen kleinen für Rieke!«
    »Jehn wa alle drei, Karle?«
    »Natürlich. Für zwei ist’s zu schwer. Wieso?«
    »Denn muß Vata mit. Ick laß Vata’n nich eine Minute mehr alleene. Ick hab meine Backpfeife weg.« So hielten sie denn ihren Auszug, Karl und Kalli gebeugt unter ihren schweren Packen, Rieke führte den Vater an der Hand. Zitternd, flüsternd ging der alte Busch neben ihr.
    Dann, zwei Stunden später, saßen sie wieder um den Tisch. Noch immer war es kalt, noch immer hatten sie nichts gegessen, noch immer war Tilda bei der Nachbarin. Nur der alte Busch saß jetzt am Fenster, er spielte mit seinen Fingern. Nie wieder wird der Mann mauern!

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