Ein Mann will nach oben
alten Busch, Unterhosen. Sie griff in den Schrank, die Hand kam wiederum leer zurück. Immer schneller legte sie Hemden und Hosen auseinander. Alle schwiegen, alle sahen ihr zu. Und wieder lag nichts zwischen der Wäsche. Nun war nur noch ein kleines Häufchen im Schrank: Riekes und Tildas Wäsche. Sie nahm sie eilends heraus. Ihre Hände zitterten so, daß sie die Stücke nicht mehr ordentlich auseinanderlegen konnte, sie wühlte in ihnen.
Der junge Mensch sagte: »Paß auf, Vater, die haben gar kein Sparbuch. Alles fauler Zauber.« Herr Hagedorn auf seinem Küchenstuhl seufzte schwer.
Rieke stand jetzt vor dem Schrank, sehr bleich, die Hände gegen die Brust gepreßt. Ihre Kinderstirn lag in Falten. »Rieke –« sagte Karl Siebrecht sanft.
»Ach –« sagte Rieke. Sie drehte sich rasch um und ging aus der Küche in die Stube. Die Tür klappte scharf, dann hörten sie drüben Rumoren und Poltern. Dann Stille. Dann einen hellen, klagenden Schrei.
»Hierbleiben!« sagte Karl Siebrecht und ging rasch in die Stube, deren Tür er hinter sich zuzog.
Rieke stand am Fenster. Ihr Gesicht sah erbärmlich aus, in ihren hellen Augen war ein fassungsloser, angstvoller Ausdruck, als sei sie ein Hund, der sich vor Schlägen fürchtet. Sie hielt das Sparbuch aufgeschlagen in den Händen. »Karle«, flüsterte sie. »Ach, mein lieber Karle …«
Er warf einen Blick in das Buch. Was er in der letzten Minute geahnt und gefürchtet hatte, war Wahrheit geworden: nur Auszahlungen standen auf der Seite. Unwillkürlich warf er einen Blick auf die Schlußsumme. »43 Mark« stand da. Gott sei Dank, dachte er. Es ist nicht alles fort.
Sie hatte angstvoll in seinem Gesicht zu lesen versucht. »Karle!« flüsterte sie. »Wat mach ick nur? Vata hat dein janzet Jeld vasoffen! Und ick hab jesagt, bei mir is dein Jeld sicher! Schlag mir, Karle, ick bin der Dussel jewesen, und dir habe ick jeschumpfen – schlag mir tüchtig in’t Jesichte!«
»Tochter«, sagte der alte Busch. »Tochter …«
Karl Siebrecht sah erst jetzt, daß der Maurer aus seinem Rausch erwacht war. Er lag da, das Kinn in seine Hand gestützt, ein weinerliches Grinsen auf dem Gesicht. »Det macht nischt! Det mach ick jrade! Dafor komm ick dir uff, Tochta! Morjen jeh ick uff ’n Bau, ick jeh gleich jetzt, wenn de willst!«
»Vata! Vata!« rief Rieke. »Wat haste bloß anjerichtet?! Du hast mir unjlücklich jemacht, du hast mir in Schande jestürzt …«
»Stille, Rieke!« sagte der Junge hastig. »Jetzt nicht.« Er nahm ihr das Buch aus der Hand und steckte es in seine Tasche. »Bleib hier, halte ihn ruhig. Das da draußen bringe ich in Ordnung.« Und er ging rasch in die Küche. »Herr Hagedorn«, sagte er. »Es tut mir leid, ich kann Ihnen Ihr Geld im Moment nicht geben. Der alte Busch ist krank geworden,und der hat das Sparbuch in Verwahrung! Aber Sie kriegen Ihr Geld heute abend noch vor Ladenschluß, das verspreche ich Ihnen.«
»Dann nehme ich die Maschine mit!« rief der Händler. »Und den Kaufvertrag behalte ich auch!«
»Lassen Sie die Maschine hier, Herr Hagedorn! Das Mädchen braucht sie doch zum Nähen. Ich gebe Ihnen mein Ehrenwort, Sie bekommen heute abend zweihundert Mark. Das ist doch ein Geschäft für Sie!«
»Was heißt hier Geschäft!« schrie Hagedorn. »Zweihun dertfünfzig muß ich haben!«
»Gut«, sagte der Junge verzweifelt. »Ich verspreche Ihnen zweihundertfünfzig Mark! Gehen Sie schnell und lassen Sie die Maschine hier –!«
»Zweihundertfünfzig und die Maschine!« schrie der Händler. »Sag schnell ja, oder Fritz holt die Polizei!«
»Herr Hagedorn …« fing Karl Siebrecht an.
Da ging die Stubentür auf, und der alte Busch kam in die Küche. Er sah schrecklich aus, mit seinem zerstörten, gedunsenen Gesicht, vornübergebeugt, die Arme baumelnd, mit nackten Füßen, nur in Hose und offenem Hemd, das die rotzottige Brust sehen ließ.
»Ich will meine Maschine!« schrie Herr Hagedorn noch.
»Nehmen Sie sich in acht! Er hat das Delirium«, flüsterte der Junge hastig.
So voll die kleine Küche war, der alte Busch sah niemanden. Er schlich mit patschenden Füßen, er lauschte, mit schrägem Kopf, die Augen zur Decke … »Rieke –?« flüsterte er. »Bist du det, Rieke?«
Herr Hagedorn hatte schon genug. »Lauf, Fritz, lauf!« schrie er und stürzte aus der Tür, den eigenen Sohn beiseite stoßend. Der stürzte ihm nach.
»Rieke?« flüsterte der Maurer. »Rieke? Wo biste denn? Haste dir vasteckt?«
»Ick bin ja da«, sagte
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