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Ein Mann will nach oben

Ein Mann will nach oben

Titel: Ein Mann will nach oben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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können wa se gleich vakloppen!« Die Jungen schwiegen mit gesenktem Blick. Und wieder Rieke: »Wat werden die Leute über mir sagen! Det janze Haus wird über mir lachen! Knappe vier Wochen hab ick die Maschine jehabt, ick trau mir keenem Menschen mehr ins Jesichte zu sehen!« Noch immer schwiegen die Jungen. Rieke stampfte mit dem Fuß auf, zornig rief sie: »Det is ’ne beschissene Welt, die taugt nischt! Imma jib ihm uff deKleenen, die können strampeln und sich schinden, aus die wird doch nischt. Aber die Großen, die können angeben wie Jraf Koks …« Ihre Stimme brach. Schluchzen kam. Sie sprang auf, lief durch die Küche, blieb bei der Maschine stehen. »Wat ick mir über die jefreut habe!« Sie strich mit der Hand schüchtern darüber. »Det war die jrößte Freude meines Lebens! Und nu – nach knapp vier Wochen …« Der Schmerz überwältigte sie. Sie konnte nicht mehr weitersprechen.
    »Sie kommt ja wieder, Rieke«, sagte Karl Siebrecht sanft. »Wir versprechen dir, wir wollen nicht eher ruhen, bis du deine Maschine wieder hast – nicht wahr, das versprechen wir ihr, Kalli?« Kalli Flau nickte ernst mit dem Kopf.
    Aber Rieke war nicht besänftigt. Rieke war nicht getröstet. Im Gegenteil, sie stampfte mit dem Fuß auf, sie rief: »Wat ihr schon vasprechen könnt! Ihr seid ja ooch nischt, und ihr habt ja ooch nischt! Bloß Einbildungen, die habt ihr! Und du am meisten, Karl! Jawoll, kuck mir noch an! Du brauchst bloß uffstehen und zu dem reichen Fatzken hinjehen und ihm sagen ›Jib mir ’n blauen Lappen!‹ und du hast’n. Aber nee, det jeht nich! Und warum jeht det nich? Von wejen deine Einbildungen! Weil de dir einbildest, du bist zu fein für so wat, darum werd ick meine Maschine los!« Sie sah ihn zornig an, und Karl Siebrecht sah sie wieder an, aber er sagte kein Wort. Noch einmal rief sie: »Ja, kiek mir nur an! Det is so, wie ick sare!« Aber sie wendete sich schon ab, dem Fenster zu. Und wieder war Schweigen in der Küche. Dann kam Rieke vom Fenster zurück. Sie legte ihre Hand schüchtern auf Karl Siebrechts Schulter und sagte leise: »Det hätte ick nich saren sollen, Karle. Det ick det jesagt habe, det tut mir von Herzen leid. Det is alles jar nich wahr.«
    »Vielleicht ist es aber doch wahr, Rieke.«
    »Nee, sag det nich! Det mußte machen, wie du denkst. Bloß manchmal bin ick een wahrer Deibel, denn muß ick loslejen, ob’s stimmt oder nich, det is denn ejal. Biste mir böse, Karl?«
    »Nicht die Spur, Rieke.«
    »Siehste, det kann mir schon wieder ärgern. Warum bistemir nich böse? Det muß dir doch böse machen, wenn ick so zu dir bin! Ist dir denn det janz egal?«
    »Egal gar nicht, Rieke, aber –«
    »Na laß, ick vasteh dir doch nich. Ick bin so, und du bist anders, det is so, und det bleibt so. – Und nu, Jungens, macht rasch, det ihr mit die Maschine aus meine Küche kommt. Ick will ihr nich mehr sehn! Wat muß, det muß! Aber mitjehn tu ick nich, det bring ick nu doch nich übers Herze. Ick bleibe bei Vatan, da ha ick doch ooch wat!«
    Und sie lachte, aber böse. Die Jungen eilten sich, mit der Maschine aus der Küche zu kommen, und als sie erst ein Stück die Treppe hinunter waren, öffnete Rieke leise die Tür und lauschte. Sie hörte die halblauten Kommandos: »Jetzt heb sie ein bißchen, Kalli! – Faß sie doch unten an, Karl! So kriegt sie ja Übergewicht!«
    Sie nickte, und nun hörte sie das, vor dem sie sich gefürchtet hatte: die Stimme einer Nachbarin. Aber sie hörte auch die Antwort Karl Siebrechts. Sie war so laut gesagt, als wüßte er, daß sie hier in der Küchentür stand und lauschte. »Kommt zur Reparatur«, log Karl Siebrecht. »Eine Feder ist kaputt.«
    Rieke zog leise die Tür zu. Einen Augenblick stand sie da, die Hand auf dem Herzen, aber lächelnd. Dann seufzte sie, drehte sich um und fing an, die Küche aufzuräumen.

23. Alles am Ende

    »Wat is denn nu los –?« fragte Rieke Busch fassungslos. Schon eine ganze Weile hatte sie das Poltern auf der Treppe gehört, aber sie hatte nicht darauf geachtet. Sie war damit beschäftigt gewesen, nach der Küche den Vater ein wenig in Ordnung zu bringen. »Wat is denn nu los –?!« fragte sie, als die beiden Jungen wieder mit der Maschine in die Küche hereinkamen.
    Karl Siebrecht sagte finster: »Sie nehmen die Maschine nur, wenn wir eine Bescheinigung bringen, daß sie uns auch gehört. Zu deutsch also eine Quittung von Hagedorn.« Er warfsich auf einen Stuhl, streckte die Beine von sich und starrte vor

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