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Ein Mann will nach oben

Ein Mann will nach oben

Titel: Ein Mann will nach oben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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und verbessert: sein Gesicht war mager geworden, aber seine Schultern breiter. Auf dem ganzen Körper kein Gramm Fett, aber Muskeln und Sehnen genug, so viel davon, daß ihn auch ein Zwei-Zentner-Koffer nicht erschreckte. Noch immer trug er die Manchesterhose des Vaters, aber die unpraktische Joppe war durch eine braune, nicht mehr ganz frische gestrickte Wolljacke ersetzt worden. Früher hatte sie der alte Busch unter seinem Maurerkittel getragen. Der Winterwind hatte mit Schnee und Regen das Gesicht des Jungen gegerbt, aber auf den Backenknochen lag ein gesundes Rot. In der Zeichenstubedes Herrn Kalubrigkeit wären seine Finger jetzt ungeschickt für Reißschiene und Zirkel gewesen, aber sie wußten mit Sackschnauzen und Korbhenkeln ausgezeichnet Bescheid. Karl Siebrecht drehte sich um. Kalli Flau war um die Bahnhofsecke verschwunden. Er sah jetzt zu den Dienstmännern hin, die eifrig auf den alten Küraß einredeten. Er konnte sich gut denken, um was es wieder ging, nämlich um sie, um die beiden Jungen, um die unberechtigte Konkurrenz! Aber sie würden noch ganz anders reden, wenn er ihnen erst gesagt hatte, was ihnen heute zu sagen er entschlossen war. Er sah sie alle langsam der Reihe nach an: die Wichtigsten waren da, die, denen die anderen folgen würden. Vor allem war Kiesow da, Dienstmann Nr. 13, ihr schlimmster Feind, der Stänkerer, mit dem würde er den schwersten Stand haben. Karl Siebrecht bohrte die Hände noch tiefer in die Hosentaschen und schob die Schultern hin und her: die Wolljacke war schon zu warm. Die Sonne brannte hindurch, morgen würde er die Jacke zu Hause lassen. Und was würde er statt der Jacke anziehen? Es fiel ihm nicht das geringste ein, was da sonst Anziehbares zu Hause war. Nun, auch das würde sich finden, nur keine Aufregung. Es hatte sich ja auch in diesem Winter immer wieder was gefunden, so aussichtslos die Lage manchmal auch aussah. Es war kein vergnüglicher, kein behaglicher Winter gewesen, oh, weit von dem! Aber es war ein Winter gewesen, in dem man sich selbst hatte beweisen können, ob man zu etwas taugte oder ob man sich doch lieber zu dem Schürzenzipfel von der alten Minna verkroch! Die Pellkartoffeln waren zu einer Dauereinrichtung geworden und Brot zu einem Festschmaus! Sich richtig satt zu essen in Brot, so weit waren sie noch nicht einmal heute. Aber wenn sogar Rieke einmal weich werden wollte und gemeint hatte, auf dieses eine Brot komme es nun doch wohl nicht an, Karl Siebrecht war unerbittlich geblieben: erst wurden die Schulden bei Oberingenieur Hartleben bezahlt. Nie hatte er vergessen können, wie Kinder und Frau ihn aus der Küche angestarrt hatten, als sei er ein Räuber, der ihnen Vaters Geld forttrug.
    Rieke mit ihrem nüchternen Verstand und der genauen Kenntnis der Stadt Berlin hatte – leider! – recht behalten: mit den Äpfelkähnen war es Essig gewesen. Ein, zwei Tage hatten die Jungen da verdient. Dann war schwerer Frost gekommen, die Spree fror zu, und die Äpfel verschwanden, weiß der Henker, wohin, wahrscheinlich zu den Großhändlern und in die Zentralmarkthalle. Ein paar Tage hatten sich die Jungen noch bei dieser Markthalle herumgetrieben, aber das war nichts, den einen Tag konnte man einen Taler verdienen, und die nächsten zwei Tage sah man in den Mond. Neue Sparmaßnahmen waren nötig geworden: Karl hatte seine Schlafstelle bei der Witwe Bromme aufgegeben und schlief nun in der Buschschen Küche. Kalli Flau aber hatte immer in aller Heimlichkeit die Feltensche Kammer als Schlafplatz benutzt, bis Herr Felten dahinterkam und ihn an die Luft setzte. Es war aber sowieso fällig gewesen, denn Herr Felten hatte einen Laufjungen für elf Mark in der Woche entdeckt. So schliefen die beiden Freunde von da an gemeinsam in der Küche. Die Nähmaschine war nun doch zu Vater Philipp gewandert, und die Jungen hatten ihr Heil bei den Kohlenhändlern versucht, die doch bei solcher Kälte Hochkonjunktur haben mußten. Aber es brachte nichs ein: die Hälfte der Arbeitszeit verlief man, ehe man einen Posten gefunden hatte – und die Jungen wollten immer gleich zwei Posten haben, da sie sich nicht gerne trennten. Hatte man aber etwas gefunden, so blieben plötzlich die Kohlenwaggons aus, und man mußte wieder frieren. Außerdem saute man sich das Arbeitszeug mehr ein, als der Kram wert war: Rieke kam gar nicht mehr aus dem Waschen heraus. Der Februar brachte viel Schnee, und die Jungen gingen unter die Schneeschipper. Das war eine geruhsame

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