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Ein Mann will nach oben

Ein Mann will nach oben

Titel: Ein Mann will nach oben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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Beschäftigung. Die Stadt Berlin war eine milde Dienstherrin, sie verlangte nicht, daß die Braue ihrer Schneeschipper von Schweiß naß wurde. Aber so milde sie war, so sparsam war sie auch, Seide war bei Schipperlöhnen nicht zu spinnen. Außerdem war dies keine Beschäftigung nach den Herzen der Jungen, sie war, geradeheraus gesagt, stumpfsinnig und brachtesie mit den Letzten der Letzten zusammen: den Gästen der Palme, der Herberge zur Heimat in der Wiesenstraße. Das waren nun wirklich die aussichtslosesten Gestalten, aller Romantik bar, arbeitsscheue Schnapssäufer und unverbesserliche Lügner. Die Jungen lernten diese Kerle hassen. So waren sie ordentlich froh, als das Februarende Tauwetter brachte, obwohl sie nun wieder gar nichts verdienten. Sie machten sich an die Bahnhöfe, mit großer Vorsicht zuerst, denn hier gab es die behördlich eingesetzten Gepäckträger und Dienstmänner, die eifersüchtig auf ihre verbrieften Vorrechte achteten. Aber Karl Siebrecht hatte das Glück, am Stettiner Bahnhof auf den alten Dienstmann Küraß zu stoßen, der ihm mit seiner ausgemergelten Gestalt und der Hakennase über einem fast immer feuchten weißen Schnauzbart von seinem Ankunftsabend in Berlin noch in lebhafter Erinnerung war.
    Der alte Mann hatte den Jungen natürlich längst vergessen, aber an »det freche Aas vom Wedding« mit seiner Leberwurst erinnerte er sich noch wohl. Er leckte sich sofort den Bart, als ihm Karl Siebrecht von dieser Leberwurst sprach. Zuerst halfen die Jungen dem Alten nur gelegentlich, bald aber ergriffen sie Besitz von seinem ganzen Betrieb, der Dienstmann Nr. 77 war nur noch Staffage. Der Alte ließ sich das gern gefallen. Die Jungen machten ehrlich Halbe-Halbe mit ihm: die Hälfte bekam er für das Firmenschild und die andere Hälfte die Jungen für die Arbeit. Küraß stand sich mit seiner Hälfte jetzt sogar besser als vorher mit dem ganzen Verdienst, denn die Jungen waren hinter der Arbeit her wie die Fliegen hinterm Honig, und gerade die schwersten Lasten, die er schon längst abgelehnt hatte, waren ihnen die liebsten. Auch die Jungen waren zufrieden. Die Nähmaschine konnte von Vater Philipp wiedergeholt werden, nachdem der Herr Hartleben sein Geld zurückbekommen hatte. Sie stand nun bei der Näherin Zappow, Rieke hatte es doch nicht gewagt, noch einmal selbständig zu arbeiten. Sie half der Zappow, es war langweilige Arbeit, es war auch schlechtbezahlte Arbeit, denn die Zappow war geizig, aber man mußte es als Lehrzeit nehmen. In einemhalben Jahr vielleicht würde Rieke soweit sein, allein Aufträge auszuführen.
    Ja, es ging wieder langsam voran in der steinigen Wiesenstraße. Jetzt verdienten schon drei Geld – nein, eigentlich vier. Denn Rieke hatte ihr Wort wahr gemacht, sie hatte den Vater nicht wieder aus den Augen gelassen, keine Viertelstunde war der Mann mehr ohne Aufsicht gewesen. Es waren zuerst schlimme Zeiten mit ihm, oh, Rieke war voll Gift und Galle gewesen, wenn die paar Groschen im Hause statt für Brot für diesen verdammten Fusel ausgegeben werden mußten, damit der Alte nur Ruhe gab. Aber ganz langsam hatte sie ihn heruntergekriegt, aus dem Liter war ein halber Liter geworden, ein Viertelliter. Nun bekam er schon nichts mehr, und es ging auch. In den Nächten war der alte Busch noch immer unruhig, die Rieke – die verstorbene Frau Rieke – wollte ihm nun einmal den Frieden nicht gönnen. Aber das ließ sich ertragen, der Rieke – dem sehr lebendigen Mädchen Rieke – machte eine durchwachte Nacht noch immer nichts. Freilich, sehr zusammengeschnurrt war der Maurer bei dieser Entwöhnung, Karl Siebrecht hatte es richtig geahnt: der Mann würde wohl nie mehr auf einen Bau gehen. Er wurde jetzt rasch grau, sein kurz gehaltener roter Vollbart verschoß von Woche zu Woche mehr. Aber da saß dieser Mann nun stumpfsinnig am Fenster bei der Zappow, und die Zappow ärgerte das. Die Zappow ärgerte jeder Mensch, der nicht so arbeiten mußte wie sie. Sie sah sich das einen Tag an, sie sah es sich – mit viel Schelten auf Rieke – auch noch einen zweiten Tag an, aber am dritten nahm sie ein Bügeleisen, drückte es dem alten Busch in die Hand und kommandierte: »Nu aber los, Männecken! Nu haste lange jenug Feierabend jehabt, nu wird jebügelt!« Und, siehe da, der alte Busch bügelte. Unter den nicht aufhörenden Belehrungen, Ermahnungen, Scheltreden von Fräulein Zappow lernte er es, Frauen-und Kindermäntel zu bügeln. Zuerst mußte man noch sehr auf ihn

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