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Ein Mann will nach oben

Ein Mann will nach oben

Titel: Ein Mann will nach oben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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aufpassen. Mitten im schönsten Bügeln vergaß er völlig seine Beschäftigung, stand da, glotzte ein Loch in die Luft, bis der Geruch von angesengtem Stoff Fräulein Zappowdaran mahnte, daß nicht nur ein Loch geglotzt, sondern auch eines gebrannt wurde. Dann sprang sie auf und überschüttete ihn mit Schmähungen. Gehorsam setzte er sein Eisen wieder in Schwung und vergaß das nächste Mal, Kohlenglut nachzufüllen, und bügelte kalt, ein wenig verwirrt darüber, daß die Mäntel nicht glatt werden wollten. Aber allmählich lernte er es, mit der Zeit wurde der Maurer Busch zu einem ausgezeichneten Bügler. Jetzt bügelte er schon richtig mit Schwung und Gefühl für Fasson. Weiß der Himmel, was er sich dabei dachte, wenn er dastand. Er hatte den Mantel fertiggebügelt, hielt ihn vor sich hin und schüttelte ihn sachte, daß die Falten auch richtig fielen. Dann trat ein Ausdruck in sein Gesicht – es war, als käme ein Funken Licht in seine ausgeblaßten Augen. Die Zappow rief Rieke Busch an: »Kiek bloß, wie er wieder mal dasteht, Rieke! Der olle Jenießa! Ordentlich zärtlich tut er mit dem Mantel, als steckte janz wat anderes darin. Diese Männa – Schweine sind se durch de Bank, vor denen is nischt sicher!«
    Der alte Busch hätte nun sehr viel mehr verdienen können als die paar Groschen, die ihm Fräulein Zappow gnädigst bewilligte. Gute Bügler waren immer gesucht und verdienten ihr Geld. Aber sosehr Rieke Busch für Geldverdienen war, hier widersetzte sie sich. Der Vater kam nicht aus ihrer Nähe. Man mußte nicht jede Dummheit in seinem Leben ein paarmal machen. Und wahrscheinlich tat der alte Busch wirklich nur in ihrer Nähe gut. Keiner konnte erraten, was in seinem Kopfe, selbst in den lichtesten Momenten, vorging. Aber immer sah er in der Tochter wohl eher die Mutter. Das Sprechen hatte er sich fast ganz abgewöhnt, er gab nur Laute von sich, die Mißbehagen, Einverständnis, Hunger ausdrückten. Nur nachts, wenn er »unruhig« war, was jetzt seltener vorkam, sprach er noch, und dann sprach er auf eine unbeholfene, erschütternd eindringliche Art, als habe durch ein Wunder ein Stummer Sprache bekommen. Er war wohl schrecklich allein mit sich. Die ganze Welt war längst versunken für ihn, und die einzig Überlebende außer ihm war die tote Frau. An sie dachte er, für sie schlug noch sein fühlloses Herz, zu ihrsprach er, bei ihr flehte er, ihm endlich zu verzeihen, ihm die Last seines bösen Gewissens abzunehmen. Aber die einzig für ihn noch Lebende war tot, sie hörte nicht, ihr Herz war Asche, sie verzieh nie mehr. Und also dann: Staub zu Staub, Asche zu Asche, Erde zu Erde!
    Aber wenn es auch nur Groschen waren, die der Bügler Busch verdiente, Groschen kam zu Groschen, rundete sich zur Mark, sie konnten schon mit Talern rechnen. Wurde dadurch irgend etwas anders? Die Schulden waren bezahlt, die Nähmaschine aus England eingelöst und endgültig ihr Eigentum – schlemmten sie darum? Schliefen die Jungen darum wieder in Betten statt auf dem harten Küchenboden, in Woilache eingewickelt? Machten sie sich satt mit Brot? Wurde ein einziges Wäschestück angeschafft? Nichts von alledem! Jede Mark, die nicht zum Nötigsten gebraucht wurde, verschwand unerbittlich bei Karl Siebrecht. Er war geizig, er war knickerig geworden. Er ließ sich von Rieke genau ihren Wochenverdienst aufzählen und bat sie um ein paar Mark, weil Tilda unbedingt neue Schuhe haben müsse, so sagte er nur abweisend: »Das hat Zeit. Das kommt alles später. Außerdem ist bald Sommer, da kann Tilda ruhig barfuß laufen.« Und der Wochenlohn verschwand in Karls Tasche. Wo blieb der Junge mit dem Gelde? Was hatte er vor? Rieke Busch tröstete sich mit dem Gedanken, daß Karl wohl sparte, um möglichst rasch Minnas Spargroschen zu ersetzen.
    Aber Karl Siebrecht dachte nicht an diesen Spargroschen. Minna hatte Zeit. Eines Tages würde auch Minna an die Reihe kommen, aber jetzt noch nicht. Auch die kleine Stadt, in der man noch hatte weich sein dürfen, war weit fort, ebenso weit wie Ria, die nie geschrieben hatte, nicht einmal eine jämmerliche Ansichtspostkarte. Auch Ria war fort, etwas, das eingeschlafen im Herzen lag, das sich einen kurzen Augenblick rührte, eine Schläferin, die einmal die Augen aufschlug – wie sanft und süß einem davon wurde! – und schon wieder weiterschlief. Nein, all das war abgetan, nicht für Minna wurde gespart, sondern für etwas ganz anderes, für etwaswirklich Wichtiges! Wenn Karl Siebrecht es

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