Ein Mann will nach oben
den Mund und fragte dabei: »Und was sagen die Dienstmänner und Gepäckträger?«
»Die haben abgelehnt!« antwortete wieder dieser überraschende Karl Siebrecht.
»Rindviecher!« sagte der Wagenseil. Er stelzte, dem Jungen voran, über den Hof auf einen einfahrenden Wagen zu. »Ich habe meinen Bengel hingeschickt, die Karren zu zählen. Zweiundachzig rauf wie runter hat der gezählt. Keine Besoffenen diesmal.«
»Da ist aber ein Geschäft, Herr Wagenseil!«
»Natürlich ist das ein Geschäft! – Heu?« fragte er den Kutscher. »Wiesenheu oder Kleeheu?«
»Kleeheu nehm ich lieber, Herr Wagenseil. Wie ist denn heute der Preis?«
»Eins neunzig – bloß, ich hab keins. Ein Geschäft ist das schon, bist du aber auch der richtige Mann fürs Geschäft, Junge? – Und Kleeheu ist heute auch nicht da, morgen kommt wieder was rein. Nimm so lange ein paar Ballen Haferstrohmit. Da rüber zum Schuppen! – Sage mal, Junge, bist du noch nicht auf die Idee gekommen, daß ich dies Geschäft ohne dich machen könnte –?«
»Nein, Herr Wagenseil, so was traue ich Ihnen nicht zu.«
»Natürlich traust du mir das zu! Bloß du bist noch nicht auf den Gedanken gekommen! Sehr helle bist du in Geschäften noch nicht, mein Sohn! – Na, komm mal mit in meine Bude!« Er warf das ältliche Fräulein einfach heraus. Dem Tönchen ihres Arbeitgebers war diese bissige Dame nun doch nicht gewachsen. »Mach, daß du rauskommst, olle Zicke!« schalt er, aber ohne zu schelten, nur so, vielleicht um Schwung in sie zu bringen und jeden Widerstand im Keime zu ersticken. »Den ganzen Tag muffelst du herum, und nischt ist in Ordnung! Wiege dem Kalkhorst sein Haferstroh ab, aber verwiege dich nicht wieder! Ich weiß genau, wieviel Bund auf einen Zentner gehen. Ich sehe alles!«
»Was Sie wohl sehen!« schimpfte sie noch, um wenigstens das letzte Wort zu haben, war aber schon draußen.
Wagenseil warf sich auf einen Stuhl, daß es krachte. Er streckte seine schwarzledernen Gamaschenbeine weit von sich, sah Karl Siebrecht an und fragte: »Rauchst du? Nee? Dann setz dich. Ich rauche auch nicht, Rauchen ist Quatsch!« Und ohne jeden Übergang: »Ich habe drei Arten, das Geschäft zu machen. Einmal ohne dich –«
»Das tun Sie nicht, Herr Wagenseil!«
»Und warum tu ich es nicht? Nicht aus Anständigkeit. Im Geschäft gibt’s keine Anständigkeit, und du hast mir deine Karten offen genug hingelegt? Warum mach ich es also mit dir?«
»Vielleicht, weil ich der richtige Mann dafür bin.«
»Du der richtige Mann? Du, der sich schon mit allen verkracht hat! Merke dir eins, mein Sohn, in diesem Betrieb gibt’s nur einen richtigen Mann für alles, und das bin ich! – Nee, mein Sohn, sondern weil du einen schlauen Gedanken gehabt hast in deinem Köppchen, und wo ein schlauer Gedanke ist, da sitzen vielleicht noch mehr! Bloß darum! Denkst du, daßich meinen Jungen in die Königgrätzer geschickt habe? Nicht die Bohne! Das war glatt gelogen – ich lüge überhaupt viel, das muß man beim Geschäft. Aber Lügen macht mir auch so Spaß! Nee, ich habe selber vier Stunden lang die Gepäckkarren gezählt und habe mir gesagt: da muß also ein dußliger Bengel kommen, um zu sehen, was so vor Augen liegt. Also ist der Bengel gar nicht dußlig, sondern wir sind’s!« Herr Wagenseil war längst wieder aufgestanden. Sitzfleisch hatte er nicht. Er war auf und ab gelaufen, hatte an der Kopierpresse gedreht, einer Schrankfüllung einen dröhnenden Schlag versetzt, hatte ins Telefon geblasen, er war nicht eine Minute unbeschäftigt gewesen.
Karl Siebrecht sagte dankbar: »Nicht wahr, es ist ein glänzendes Geschäft?«
Wagenseil riß das Fenster auf und brüllte über den Hof: »Du olle Zicke, schlaf nicht ein! Siehst du nicht, daß die Frau da nach Kartoffeln steht?! Gib ihr von der neuen Industrie! Poussier lieber nicht soviel mit dem Kalkhorst!«
»Ich poussiere nie, Herr Wagenseil!« schrie das Fräulein empört zurück.
»So siehst du auch aus!« lachte Wagenseil. »Genau so!« Er schmiß das Fenster zu. »Du kannst die Sache als eigener Unternehmer starten, und ich stelle bloß Pferde und Wagen gegen tägliche Bezahlung, wie wir es besprochen haben. Dann hast du alles Risiko. Oder ich übernehme den ganzen Krempel von Anfang an, und du wirst mein Angestellter. Ich gebe dir zu Anfang fünfzig Mark die Woche, später, wenn’s erst klappt, hundert. Geht’s sehr gut, noch mehr. Und dazu zwei Prozent vom Umsatz. Na, überleg dir den Rummel!«
Der Herr
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