Ein Mann will nach oben
und geschwitzt – der Emil läßt mir auf der Stelle hundert Mark ab, wenn er den Kraken sieht!« Er sah Karl Siebrecht lachend an – beglückt von der eigenen Geschäftstüchtigkeit.
Ein ungemütliches Gefühl überkam den Jungen. Ein ganz gewissenloser Geschäftemacher, sagte er sich. Mit dem dürfte ich nichts anfangen. Und wieder trotzig: Aber wenn es keine anderen gibt? Ich werde schon aufpassen – und wenn er mich reinlegen will, schmeiße ich ihn raus!
»Na, Zicke?« fragte der Fuhrherr. »Hast du die olle Mutter abgewimmelt? Die paar Kartoffeln, die wir noch da haben, verkaufen wir aus, und dann ist Schluß. Ich fange was Neues an, was ganz Großes!«
»Was Sie schon anfangen!« sagte sie verächtlich. »Wohl mit dem Bengel da?«
»Halt’s Maul, Zicke! Red ich mit dir von meinen Geschäften!? Schreiben Sie, Frollein, mit Kopiertinte. Vertrag zwischen … Sag deinen Namen, Junge, auch die Wohnung … Und dann: Fuhrunternehmer … na, Sie wissen schon …«
»Mit so einem Kind können Sie doch keinen Vertrag machen, Herr Wagenseil!«
»Ob du die Schnauze hältst?! Was geht dich das an? Der Junge verdient in einem Jahre mehr als du in zehn Jahren, du olle Jungfer!«
»Was soll ich also schreiben?«
»Schreibe also so irgendeinen Mist hin …«
»Das wird mir bei Ihnen leicht …«
»Daß der Bengel sich verpflichtet, für sein Gepäckbeförderungsunternehmen Gespanne nur bei mir anzufordern, und ich verpflichte mich, ihm jederzeit so viel Gespanne mit Kutschern zu stellen, wie er braucht. In den ersten vier Wochen zahlt er mir zehn Mark für Gespann und Tag und fünfundzwanzig Prozent von seiner Roheinnahme, von da an zwanzig Mark pro Gespann und Tag und vierzig Prozent seiner Roheinnahmen …«
»Sie sind ja verrückt, Herr Wagenseil!« schrie Karl Siebrecht. »Das ist viel zuviel! Davon haben wir nie geredet!«
»So, bin ich verrückt, du dämlicher Hund, du?« schrie Wagenseil sofort los. »Mach auf der Stelle, daß du aus meinem Büro kommst, mit deinen hundert Mark in der Tasche! Denkst du, ich mache wegen deinem schönen Überzieher Geschäfte mit dir? Ich kann mir zehn solcher Überzieher kaufen, zwanzig!«
»Und nicht bezahlen!« schrie Karl Siebrecht dagegen. »Meiner ist bezahlt.« Er hatte wohl gesehen, wie das Fräulein ihm zugezwinkert hatte. Es hatte aufmunternd genickt und »Kßt!« gemacht, als hetze es einen Hund. Zudem hatte ihm Wagenseil selbst eine gute Lehre durch sein Gespräch mit dem Pferdehändler gegeben.
Er reagierte auch sofort. »Sei doch kein Kamel, Karl«, sagte er lachend. »In vier Wochen hast du die Dienstmänner längst ausgebootet und steckst deren fünfzig Prozent ein –«
»Ich will dir fünfunddreißig Prozent geben.«
»Nichts! Fünfundvierzig!«
»Eben hast du vierzig gesagt!«
»Habe ich nicht! Fünfundvierzig habe ich gesagt – nicht wahr, Frollein, Sie haben’s gehört?«
»Sie sagen viel, Herr Wagenseil.«
»Siehste, Karl! Wahrscheinlich habe ich sogar fünfzig gesagt! Fünfzig müßten es jedenfalls sein!«
»Dann habe ich zwanzig gesagt«, meinte Karl. Beide mußten lachen. »Na, und dann außerdem noch zehn Mark für den Fuhrtag statt zwanzig!«
»Aber ich muß die Kutscher löhnen! Das erste Gespann ist ohne Kutscher, verstehst du wohl, Karl? Das brauchen wir nicht extra in den Vertrag zu schreiben!«
»Du gibst deinen Kutschern bestimmt keine sechzig Mark die Woche, Franz!«
»Ein bißchen muß ich doch auch verdienen, Karl! Hast du eine Ahnung, wie teuer der Hafer ist!«
»Wie teuer ist denn der Hafer?« fragte Karl Siebrecht grinsend. All seine Erinnerungen an die Markttage in der kleinen Stadt, an manche geschäftliche Unterredung des Vaters waren in ihm wach geworden.
»Acht Mark kostet der Zentner jetzt!« stöhnte Wagenseil.
»Abgemacht!« rief Karl Siebrecht und streckte ihm die Hand hin.
»Für acht Mark den Zentner liefere ich dir morgen tausend Zentner, Franz!« – Sogar das bissige Fräulein mußte lächeln. Es sah aus, als habe sie eine Maus verschluckt.
»Handeln wir denn hier um Hafer?!« rief Wagenseil. »Wir wollen doch einen Vertrag machen! Also schreiben Sie hin, Frollein … Dann will ich auch nicht so sein, ich gebe schon nach! Also schreiben Sie: zwanzig Mark das Gespann und vierzig Prozent der Roheinnahmen.«
Einen Augenblick stand Siebrecht verblüfft. »Das hast du doch schon vor fünf Minuten gesagt!« rief er dann.
»Habe ich das?« grinste Wagenseil. »I wo! Ich habe immer von fünfzig Prozent
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