Ein Mann will nach oben
mit der einen Vertrag, daß wir allein in Berlin Gepäck befördern dürfen. Der Bahn werden wir dafür bezahlen müssen, und nicht zu knapp, aber laß man, das Geschäft wird doch gut werden.«
Karl Siebrecht sah den langen Mann mit glänzenden Augen an. Was er sich geträumt hatte, dieser Mann hatte es eben mit klaren, geschäftsmäßigen Worten gesagt! Einen flüchtigen Augenblick dachte er an die brotlos werdenden Dienstmänner, an den alten Vater Küraß, aber der Gedanke verging sofort wieder. Wir müssen doch vorwärts, dachte er. Wenn man alles Alte schonen will, gibt es überhaupt kein Vorwärts! Ich will dann schon für den Opa sorgen. Und dann sah er »seinen« Betrieb, »seine« Wagen an allen Bahnhöfen, »seine« Pferde auf allen Straßen traben! »Wir müssen auch das Gepäck in die Wohnungen schaffen und von den Wohnungen holen«, sagte er. »Für die kleinen Leute sind die Gepäckdroschken viel zu teuer.«
»Richtig!« sagte der Wagenseil. »Ich habe es doch gleich gesagt: Wo ein kluger Gedanke im Köppchen steckt, wachsen noch mehr. Dann brauchen wir vierzig, fünfzig Wagen. Ich habe keinen Pfennig Geld, bloß Schulden. Aber für dies Geschäft verkloppe ich den ganzen Fuhrhof, in dies Geschäft steige ich bis zum Hals rein! Aber, verstehst du, Junge, daß es schlauer ist, du läßt mich machen und wirst mein Angestellter? Bei dir geht es zu langsam! Hundert Mark – zwei, drei Monate wirst du nur mit einem Wagen fahren; ich habe eine Heidenangst, wenn es andere erst sehen, kommen die uns zuvor!«
»Ich will es alleine machen! Ich werde schon schnell vorankommen«, sagte der Junge hartnäckig. »Ich will keines Menschen Angestellter sein, auch Ihrer nicht!«
»Ach, du denkst«, lachte Wagenseil, »ich werde dich wie die Zicke behandeln? Na ja, vielleicht behandle ich dich auch so. Übrigens macht das keinen Schiedunter, ob du auch der Unternehmer bist! Anschnauzen tu ich dich doch, ichschnauze immer alle an!« Ganz rasch: »Junge, laß uns Kompagnons werden. Du schießt dein Köpfchen ein und ich die Gespanne! Ist das ein Wort?«
»Ich will es alleine machen!« sagte Karl Siebrecht hartnäckig.
»Schön! Aber das sage ich dir, Söhnchen, geht die Karre schief in diesen zehn Tagen, dann mache ich den Kram alleine! Dann kannst du betteln, soviel du willst, nicht als Kutscher stelle ich dich ein, nicht mal als Handlanger! Das ist ausgemacht!«
»Gut!« antwortete Karl Siebrecht entschlossen.
»Und warum tue ich’s nicht? Nicht aus Rache, auch nicht als Strafe! Sondern weil du dich verrechnet hast! Dann suche ich mir eben einen besseren Rechner. Schlecht rechnen kann ich alleine. Ich habe schon einen Haufen Berufe gehabt in meinem Leben: Bauer bin ich gewesen, eine Kiesgrube habe ich gehabt, eine Zementwarenfabrik, Vieh habe ich gehandelt – immer bin ich pleite gegangen! Und warum? Fleißig bin ich genug, aber ich kann nicht rechnen! Ich gehe immer gleich zu groß ran, und dann reicht das Geld nicht. Das hat mir bei dir imponiert, daß du klein anfangen willst, daß du Geduld hast. Aber vielleicht ist es bloß Dummheit bei dir?«
»Ich schaffe es schon!«
»Warten wir’s ab. Genug gequatscht!« Er riß wieder das Fenster auf. »Frollein, kommen Sie mal rein, Sie müssen hier was schreiben! – Ach, lassen Sie doch die olle Tunte stehen, das ganze Kartoffelgeschäft lohnt sich nicht mehr!« Er warf das Fenster wieder zu. »Jetzt werden wir einen Vertrag machen, nur so unter uns, ganz ohne Rechtsverdreher und Stempel. Wie alt bist du eigentlich?«
»Sechzehn.« Dies kam nun doch sehr zögernd.
»Na also! Schönes Alter, ich wollte, ich wäre auch noch so jung. Übrigens –« Er sang: »Schatzi, sag du zu mir! Kannste ruhig! Deswegen schnauze ich dich auch nicht mehr an.«
»Warum müssen wir denn einen Vertrag machen?« fragte Karl Siebrecht zögernd.
»Aber natürlich! Hast du etwa Angst vor mir, du denkstwohl, ich bin kein anständiger Mensch? Bei dir doch, bei dir doch immer! Was habe ich dir nicht von mir und meinen Pleiten erzählt? Das weiß kein Mensch hier in Berlin, nicht mal meine eigene Frau – hör, und«, fiel es ihm plötzlich ein, »der Rappe, wegen dem ich eben telefoniert habe –«
»Stimmt was nicht mit dem Rappen?«
»Natürlich nicht!« strahlte Wagenseil. »Bei mir mußt du aufpassen, ich lüge schlimmer als gedruckt! Der Rappe ist ein feines Pferdchen! Aber ich habe ihm gestern abend Rizinus und Aloe gegeben. Die ganze Nacht hat sich das Aas im Mist gewälzt
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