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Ein Mann will nach oben

Ein Mann will nach oben

Titel: Ein Mann will nach oben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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»Du, Karl –« sagte Kalli Flau mit bittender Stimme. »Einen Moment mal –«
    »Ich habe gar keine Zeit«, antwortete Karl Siebrecht und stieg weiter ab.
    »Nur einen Augenblick«, bat Kalli wieder. »Ich will dir nur erklären –«
    »Du hast deine rote Mütze vergessen!« sagte Karl Siebrecht schneidend und war schon einen Treppenabsatz tiefer.
    »Armleuchter!« brüllte ihm Kalli Flau wütend nach. Er sagte aber nicht »Armleuchter« …
    So, der war erledigt, er würde es sich überlegen, ehe er ihn wieder anquatschte! Dem hatte er’s großartig gegeben, dachte Karl Siebrecht, aber gar so großartig war ihm nicht zumute.
    Er kam in die Frankfurter Allee, ohne etwas davon zu merken. Hier hatte Herr Wagenseil seinen Fuhrhof. Es war kein kleiner Fuhrbetrieb – o nein, im Gegenteil. Wagenseil hatte mindestens zwanzig Gespanne laufen, in der Hauptsache schien er Steine und Mörtel für Bauten zu fahren.
    Karl Siebrecht war, ganz von seinem großen Plan erfüllt, eines Tages einfach auf diesen Fuhrhof getapert, übrigens nicht auf den ersten, wo er sein Anliegen vorbrachte. Aber meist war er kaum angehört oder barsch abgefertigt worden. Auch Herr Wagenseil hatte nicht gerade viel überflüssige Zeit. Neben seinem Fuhrbetrieb handelte er noch mit Kohlen und Kartoffeln, mit Stroh, Heu, Hühnerfutter. Nacheinander sechs verschiedenen Beschäftigungen hingegeben, hatte er den Jungen angehört. Er war ein langer, kräftiger Mann, vielleicht in den Vierzigern, nicht unsympathisch im Aussehen, rasch in Bewegungen wie im Reden. Am liebsten schiener zu äppeln, wie es der Berliner nennt. Er sprach nie ganz ernsthaft, machte lieber einen Witz. »Darüber kann man reden, mein Sohn«, hatte er gesagt. »Du kannst ja mal wiederkommen! Zähl mal eine Stunde lang alle Dienstmänner in der Königgrätzer Straße!«
    Und gleich die erste Frage, als der Junge wiederkam, als hätte Herr Wagenseil in der ganzen Woche an nichts anderes gedacht: »Na, wieviel Dienstmänner?«
    »Siebenundsechzig rauf, einundsechzig runter vom Bahnhof«, hatte Karl Siebrecht geantwortet.
    »Sechse, die sich festgesoffen haben!« antwortete Herr Wagenseil prompt. »Hilf der Mutter da den Sack auf die Waage, mein Sohn! Wie heißt du eigentlich? Ja, Mutter, echte rote Dabersche Kartoffeln, die einzigen Roten, die sogar unser Kaiser verdauen kann. – Wie alt bist du?« –Am Eingang zum Fuhrhof stand ein schwarzgeteerter Schuppen mit der Rieseninschrift »Büro«. In ihm saß ständig ein ältliches weibliches Wesen, das ebenso verstaubt schien wie die Papiere um sie. Sie war aber ein tüchtiger Hofhund. »Herr Wagenseil?« fuhr sie Karl Siebrecht an. »Was wollen Sie denn von Herrn Wagenseil?!« Das »Sie« war entschieden nur seinem grauen Überzieher und dem Filzhut zuzuschreiben.
    »Ich möchte ihn mal sprechen.«
    »Sprechen? Zu was denn? Geld? Geld haben wir heute nicht da! Müssen Sie morgen noch mal wiederkommen!«
    »Ich will kein Geld. Ich möchte ihn bloß geschäftlich sprechen.«
    Aber wenn das »geschäftlich« Eindruck auf die Dame machen sollte, so machte es jedenfalls den falschen Eindruck. Prompt ging sie zum »Du« über. »Such ihn dir doch selber! Soll ich wissen, wo der Wagenseil ewig steckt!«
    So suchte ihn Karl Siebrecht. Er fand ihn bei einer friedlich stillen Beschäftigung in einer Ecke des Fuhrhofs. Wagenseil fütterte aus einer Futterschwinge die Hühner. »Alles muß man alleine machen!« beklagte er sich, aber ohne Klage. »Eier wollen die Weiber haben, aber das Füttern vergessen sie. GehenSie doch ein bißchen an die Seite, Sie scheuchen mir ja die Hühner weg! Wer sind Sie überhaupt?«
    »Ich hatte mit Ihnen wegen der Gepäckbeförderung geredet, Herr Wagenseil.«
    »Ach so, ja richtig! Sie sind der Jüngling. Man erkennt dich ja gar nicht wieder! Ist es nun soweit?«
    »Einmal muß man anfangen, Herr Wagenseil.«
    »Bei mancher Sache fängt man am liebsten gar nicht erst an. Wo hast du denn deinen Freund? Du wolltest doch einen Freund mitbringen, der Kutscher spielen soll.«
    »Mit dem habe ich mich verkracht«, antwortete Karl Siebrecht zu seiner eigenen Überraschung, denn davon hatte er Herrn Wagenseil eigentlich nichts erzählen wollen.
    »So?« antwortete der nur. Er stülpte die Futterschwinge um, daß die restlichen Gerstenkörner wie ein goldener Regen auf die Hühner fielen, gab sie mit einem »Da!« dem Jungen zum Halten, zog Messer und Kautabak aus der Tasche, schnitt sich ein Stück Priem ab, schob es in

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