Ein Mann will nach oben
bist!«
»Wer sagt das?«
»Ach, keiner! Ich hab so was gehört.«
»Wo denn?«
»Weiß ich nicht, die Leute reden viel, was?«
»Weiß ich auch nicht. Ich rede nicht mit den Leuten!«
»Eben! Aber die Leute reden von dir!«
»Das kann mir schnuppe sein!«
»Eben! Ich sag’s ja.« Eine Stille entstand. Der Tischendorf betrachtete nachdenklich seinen Mittelfinger, der ihn zu ärgern schien. Dann führte er ihn zum Mund und biß energisch an dem Fingernagel herum. Noch mit dieser Kauerei beschäftigt, schielte er zu Karl Siebrecht hinüber und fing wieder an: »Ne feine Idee von dir – das mit den Gepäckfuhren.«
»Meinst du –?«
»Doch! Das muß gehen wie geschmiert!«
»Glaubst du?«
»Selbstmurmelnd! Würde ich gleich mitmachen!«
Karl Siebrecht tat diese erste Anerkennung seines großen Planes gut, wenn sie auch von dem unsympathischen Hans Tischendorf kam. »Wenn aber die Dienstmänner nicht mitmachen?« fragte er.
»Die kommen! Die kommen schon! Du mußt es nur solange aushalten.« Er sah erst den abgekauten Nagel, dann den Karl Siebrecht nachdenklich an, und ganz plötzlich fragte er: »Brauchst du noch Geld?« Karl Siebrecht schwieg. Er überlegte. Sollte es wahr sein, daß dieser unsympathische Bengel, dieses bleiche Berliner Kellergewächs, mehr Zutrauen zu ihm hatte als seine Freunde? Sollte der Tischendorf wirklich Geld haben und es auf ihn wagen? Da sagte der schon: »Hundert Mark könnte ich einschießen – aber du machst es wohl mit deinem Kumpel?«
»Kumpel –?«
»Na, mit dem Matrosen doch. Mit deinem Freund doch. Dafür sage ich Kumpel.«
»So«, antwortete Karl Siebrecht nur und überlegte immer weiter. Hundert Mark würden ihn in den Stand setzen, Rieke und Kalli ihr Geld zurückzugeben und es vierzehn Tage auszuhalten. Er wartete, daß der andere weiterredete, aber jetzt schwieg der.
»Geld kann man immer brauchen«, sagte Karl Siebrecht schließlich.
»Besonders, wenn man was Neues anfängt«, gab der andere zu.
»Du würdest aber bei mir mitmachen wollen?« fragte Karl Siebrecht vorsichtig. Er empfand Widerwillen bei dem Gedanken, daß statt Kalli Flau Hans Tischendorf bei ihm auf dem Rollwagen stehen sollte. Der Bengel sah so unappetitlich aus, als sei er ganz und gar, nicht nur an den Nägeln, abgekaut.
»Das muß nicht sein«, sagte Tischendorf. »Von mir aus kannst du die Sache gut mit deinem Kumpel machen.« Er dachte nach. Dann: »Weißt du, ich kenne hier eine ganze Menge von den Haifischen, auch ein paar Grünjacken und Rotmützen. Wir alle würden dir unser Gepäck bringen, und du würdest heimlich, daß die anderen es nicht merken, nicht Halbe-Halbe mit uns teilen, sondern uns sechzig geben – mit vierzig verdienst du auch noch genug.« Er sah aus seinen dunklen, scheuen Augen, die stets nach schlechtem Gewissenaussahen, Karl Siebrecht prüfend an, wie der sich wohl zu diesem Vorschlag stellte.
»Ach so«, sagte der. »So denkst du dir die Sache!« Mit sechzig–vierzig ging die Sache zur Not natürlich auch, freilich das meiste von seinem Verdienst ging flöten, und er allein trug das Risiko! Aber er hatte einen Stamm fester Kundschaft, er würde keinen Tag hier ganz vergeblich stehen … Und doch – und doch, dieser Vorzugstarif konnte nicht geheim bleiben. Es würde Krach geben, und entweder flog er bei diesem Krach ganz auf, oder alle bekamen den Vorzugstarif. Dann war es nur ein knappes Geschäft.
»Na?« fragte Hans Tischendorf. »Was meinst du? Du kannst es dir ja noch überlegen. Jedenfalls, die hundert Mark halte ich für dich bereit.« Und er klopfte mit seiner grauen Hand auf das schmierige Jackett.
»Ja, die hundert Mark …« sagte Karl Siebrecht langsam und sah den Haifisch fragend an.
Der aber glaubte, der Fisch säße nun fest am Angelhaken, und sagte: »Über die hundert Mark gibst du mir einen Schuldschein. Ich kann das Geld täglich zurückfordern, du kannst es mit vierzehntägiger Kündigung zurückzahlen. Du gibst mir fünf Prozent Tageszinsen, die ich mir jeden Tag bei dir kassiere.« Nicht umsonst war der Knabe Tischendorf dermaleinst in der Schreibstube eines Anwalts tätig gewesen, aber Gutes hatte er dort nicht gelernt.
»Fünf Prozent Tageszinsen«, wiederholte Karl Siebrecht, noch ganz überwältigt. »Das sind hundertfünfzig Mark Zinsen auf hundert Mark im Monat!«
»Beziehungsweise hundertfünfundfünfzig«, sagte dieser wahre Haifisch rasch. »Das ist billiges Geld, verstehst du? Bedenke bloß mein Risiko! Ich gebe dir
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