Ein Mann zum Abheben
Boden der Badewanne derart rutschig, dass ich beim Reinsteigen ausgleite und für Turbulenzen im Wasser sorge. Mein Lachen überrascht mich, und ich schaue hoch, weil ich denke, dass jemand ins Badezimmer gekommen ist.
13 Uhr 30: Zum Mittagessen kehre ich in einer Sportbar ein und bestelle mir ein Bier vom Fass und Chicken Wings. Das Bier ist so kalt, dass ich beim ersten Schluck das Gefühl habe, einen Eispickel in den Hinterkopf gerammt zu bekommen. Ich habe ein großes schweres Buch mitgebracht, einen jener Klassiker, die man immer einmal lesen will, aber nie liest. In der Hand halte ich einen Stift, um alles, was mir besonders interessant oder gut geschrieben erscheint, zu unterstreichen - eine alte Angewohnheit aus dem Studium. Ich war einmal klug. Ich war einmal imstande, mir Dinge zu
merken. Jetzt bin ich einfach nur eine Frau, die Katzen mit findigen Namen besitzt. Heute aber scheint mir alles bedeutungsvoll zu sein, und ich unterstreiche fast jeden Satz. Es kommt mir vor, als würde ich eine 3-D-Brille tragen, und die Seite wäre nicht flach - manche Wörter scheinen mir entgegenzukommen, während andere sich zurückziehen.
Der Barkeeper fragt mich, ob ich alles habe, was ich brauche. Die Leute stellen mir ständig solche Fragen: Wie geht’s Ihnen, Ma’am? Was suchen Sie? Soll ich nachschenken? Würden Sie die gern in einer anderen Farbe anschauen? Haben wir noch Platz für ein Dessert? Wenn man soundso viel hat, können die Leute offenbar nicht mehr damit aufhören, dich zu fragen, ob du noch ein bisschen mehr brauchst.
»Alles bestens«, sage ich zum Barkeeper, doch in Wirklichkeit bin ich am Verhungern - bin gierig, gefräßig, fettverschmiert und benehme mich vor lauter Appetit vulgär. Die Wings sind köstlich, knusprig und pikant, ich esse drei Schalen mit Blue-Cheese-Dressing leer - als würde ich seit Monaten zum ersten Mal Essen in meinem Mund schmecken, als wäre Essen ein Geheimnis, das nur ich entdeckt hätte. Genug, genug, genug, wer kann schon sagen, wann genug ist? Ich habe eine Tochter und ein Zuhause, einen Ehemann und einen Liebhaber, meine Töpfe und meine Bücher, meine Katzen und eine wirkliche Freundin, und das sollte reichen, aber wenn ich wüsste, wann es reicht, wäre ich von vornherein gar nicht in dieser Situation gelandet.
Ich schließe meine Augen und frage mich, wie lange diese manische Freude anhalten kann. Seit Tagen bin ich eine ungezügelte Frau, kreische den Text von Wheel of Fortune heraus, gieße den Pfannkuchenteig in Schiff- und Hasenformen, wie mein Vater es immer gemacht hat. Für ihn waren Pfannkuchen Erkenntnishilfen, eine Art Rohrschachtest,
er war überzeugt, dass er einen Menschen aufgrund von dem erkennen kann, was dieser in den Wirbeln aus Butter und Sirup sieht. Mein Vater hat mir jeden Samstagmorgen Pfannkuchen gebacken. Plötzlich vermisse ich ihn so sehr, dass ich mein Gesicht mit den Händen bedecke und spüre, wie zum zweiten Mal an diesem Tag Tränen aufsteigen.
»Was lesen Sie?«, fragt der Barkeeper.
» Ulysses .«
»Stark«, antwortet er. »Wie wär’s mit etwas Key Lime Pie?«
Tory ist meine Veränderung aufgefallen, aber noch ist sie klein genug, um Dinge wahrzunehmen, aber nicht nach den Hintergründen zu fragen. Abgesehen davon gefällt ihr diese neue Mommy, die sie auf Spaziergänge zu Wasserfällen mitnimmt und ihr erlaubt, die ganze vordere Seite ihres T-Shirts nasszumachen. Diese Mommy, die im Auto Motown-Songs trällert und jedes Mal, wenn die Ampel auf Grün springt, »Olé!« ruft, die sagt, dass wir dieses eine Mal die Vokabeln überspringen können. Diese glückliche Mommy, die misslungene Pfannkuchen auf ihren Frühstücksteller klatscht und fragt: »Na, nach was sehen sie deiner Meinung nach aus?«
»Okay, ich verstehe, du fliegst seit einer Woche so hoch wie ein Drache«, bemerkt Kelly. »Was passiert danach?«
»Weiß ich nicht. Vielleicht nichts. Vielleicht alles.«
»Ich will nicht, dass dir wehgetan wird.« Wir sitzen auf der Veranda vor unserem Lieblingscafé, das mit den Frank-Lloyd-Lichtinstallationen. Alle Tische sind besetzt, also haben wir uns drei Stühle zum einzigen schattigen Fleck gezogen und sitzen uns gegenüber, die Füße auf dem Stuhl, der zwischen uns steht.
»Du bist diejenige, die mir gesagt hat, ich soll ein Verhältnis eingehen.«
»Ich habe es nicht wirklich so gemeint.«
»Aber du hattest Recht.«
»Wann wirst du ihn wiedersehen?«
»Das gehört in den Zen-Bereich. Es geschieht, wenn
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