Ein Mann zum Abheben
Mühe, auf eine derart lächerliche Äußerung einzugehen. »Ich muss in die Gymnastikgruppe gehen, in die ihr geht. Ich werde dick. Ich wiege fast vierzehn Kilo mehr als an meinem Hochzeitstag, und an meinem Hochzeitstag war ich schwanger.«
»Wir haben alle Gewicht zugelegt«, meint Kelly, die eindeutig nicht zugelegt hat. »Du bist viel zu hart zu dir.«
Doch Belinda will davon nichts wissen. Sie erzählt uns, dass sie eines Nachts im Gegensatz zu Michael nicht in der Stimmung für Sex war - man weiß ja, wie das ist. Manchmal ist es leichter, Sex zu haben, als sich aufzusetzen, alle Lichter anzumachen und darüber zu sprechen, warum man keinen Sex haben will, also sagt sie ja, schön, aber mach schnell. Doch mittendrin fängt sie an zu weinen.
»Und er hat nicht aufgehört«, sagt sie. »Er hat gesehen, dass ich weine, und hat nicht aufgehört.«
»Zählen wir einfach alles auf, was du gut kannst.« Kellys Stimme klingt ein bisschen verzweifelt. Sie mag es nicht, wenn Belinda unglücklich ist.
Belinda wischt sich wie ein Kind mit dem Ärmel übers Gesicht. »Vielleicht hatte Lynn die richtige Idee.«
»Versuch’s wenigstens«, drängt Kelly. »Du kannst wunderbar mit Kindern und Hunden. Und sprichst du nicht ein bisschen Spanisch?«
Nancy und ich haben uns ein paar Schritte zurückfallen lassen. »Die Stimmung in dieser kleinen Gruppe kippt«, sagt sie.
Ich schüttle den Kopf. »Sie geht nirgendwohin.« Und sie geht nicht. Wenn eine Frau im Begriff ist zu gehen, spricht sie nicht von ihren Tränen während des Geschlechtsverkehrs. Sie spricht überhaupt nicht über Gefühle. Plötzlich dreht sich alles nur um das Herausholen von Pässen aus Schließfächern, den Kauf neuer Lampen, die Versicherung, die Lage der Wohnung, auf die man ein Auge geworfen hat, innerhalb des Schuldistrikts der Kinder. Wenn eine Frau im Begriff ist zu gehen, ist keine Wut in ihrer Stimme, kein Schmerz. Belinda schwingt noch immer im Rhythmus einer Ehefrau auf und ab - wahrscheinlich fährt sie nach Hause und versöhnt sich heute Abend mit Michael.
Das einer Frau wie Nancy zu erklären, ist allerdings unmöglich. Es ist nicht möglich, ihr klarzumachen, dass Belindas Wut nur zeigt, dass sie noch immer Hoffnung für ihre Ehe hat, oder dass andererseits meine Gelassenheit zeigt, wie restlos ich meine aufgegeben habe. Schreist du den Mann immerhin noch an, heißt dass, dass du diesen Mann noch immer siehst. Doch sobald deine Stimme flach wird, an Geschwindigkeit zunimmt und beiläufig klingt, hat dein Ehemann praktisch schon angefangen, sich in Luft aufzulösen. Er verschwindet aus dem Bild, verdampft wie Regentropfen auf einem heißen Highway. Er ist nur noch eine Stadt, durch die man auf dem Weg zu einem anderen Ort fährt.
»Was denkt sich ein Mann«, will Belinda wissen, »wenn er auf eine weinende Frau hinunterschaut und einfach weitermacht?«
»Sie denken gar nicht«, antwortet Kelly.
»Vielleicht solltest du es mit einer Eheberatung probieren?«, schlägt Nancy vor. »Schau, wie sehr Elyse das hilft.«
Belinda bleibt plötzlich stehen, sie bleibt so plötzlich stehen, dass Nancy ihr geradewegs in den Rücken läuft. »Liegt es an mir«, sagt sie, »oder laufen wir immer im Kreis?«
Später am Nachmittag kommt Pascal ins Atelier, einen lebenden Vogel im Maul. Ich schreie, und er haut ab. Das macht er gerne, um zu zeigen, was für ein toller Jäger er ist, und früher habe ich ihn manchmal eingefangen und mit meinem Zeigefinger das Maul aufgestemmt. Aber bei der Befreiung von Verwundeten handelt es sich um eine Grauzone. Es ist schwer zu sagen, wie schwer sie verwundet sind - manchmal kann das Tier entkommen, manchmal nicht, und wenn sie nicht kräftig und schnell genug sind, hat er sie bald wieder, und dann aber geschäftsmäßiger. Ich konnte mich nie entscheiden, ob es gnädiger ist, Pascal zu erlauben, sie beim ersten Angriff zu erledigen, oder sie ins Freie zu bringen und allein im Gras ihrem Tod zu überlassen.
Gerade in dem Augenblick, in dem Pascal mit dem Vogel hereinkommt, springt Garcia aus dem Nichts heran und bringt Pascal zum Fauchen. Der Vogel entkommt. Er fliegt in einem taumelnden Bogen in Richtung Decke, und ich sehe, dass einer seiner Flügel gebrochen ist. Mit einer Abdeckplane scheuche ich ihn aus dem Atelier und schließe die Katzen in den Waschraum. Ob das die richtige Entscheidung ist, ist allerdings schwer zu sagen. Der Vogel flattert über eine Stunde verzweifelt im Haus herum, knallt
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