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Ein Mann zum Abheben

Ein Mann zum Abheben

Titel: Ein Mann zum Abheben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Wright
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als würde er fegen.
    »Nein, halt. Wirklich, halt. Ich muss mich hinsetzen. Mein Rücken tut weh.«
    Er scheint mich nicht hören zu können. Jetzt ist er ganz auf einen Punkt konzentriert. Es fühlt sich unerwartet gut an, gut und schlecht, gut-schlecht. Er geht mit meinen Brüsten grob um, zieht an den Brustwarzen, und während er an ihnen zieht, dreht er sie. Das hat noch keiner gemacht, gleichzeitig an ihnen ziehen und sie drehen. Obwohl wir uns unter freiem Himmel und möglicherweise in Hörweite anderer Balkone befinden und obwohl irgendetwas in mir es mag, gebe ich einen Laut von mir, der sich halb nach Stöhnen, halb nach Schreien anhört.
    »Ich habe gelogen«, sage ich. »Ich habe dich angelogen, ich habe gelogen, ich lüge.«
    Ich halte das nicht aus. Ich weiß nicht, warum ich ihm gesagt habe, dass ich es könnte. Ich zerre an den Krawatten und stemme meine Fersen gegen den Liegestuhl, um mich wieder in eine sitzende Position zu bringen. Aber er folgt mir, stößt mit seiner Stirn in meinen Schamhügel. Orgasmus und Panik liefern sich jetzt ein Wettrennen, Kopf an Kopf wie Pferde, mein Gesicht glüht so sehr, dass sich meine Zunge kühl anfühlt, als ich mir über die Lippen lecke.
    Und dann sehe ich es plötzlich auf mich zukommen, und es besteht absolut kein Zweifel. Er trägt mich zum Feld von St. Kitts. Ich kenne dieses Feld, war schon vorher da. Vierzig Minuten außerhalb von Basseterre, mit einer schwitzenden Colaflasche in der Hand, auf der einen Seite die mitternachtsblaue
See, auf der anderen gelber Weizen, der sich im sanften Wind wiegt, sich in sich zurückzieht und golden entfaltet. Eine enge Straße, eine holprige Straße, ein Mietauto mit weichen Bremsen. Es ist, als würde man mitten in ein Gemälde von van Gogh hineinstolpern, als würde man in den Himmel geworfen, und ich erinnere mich an das erste Mal, als ich es sah. Es ist das Orgasmusfeld, das Feld, auf das ich manchmal, unmittelbar bevor ich komme, einen kurzen Blick werfen kann. Nicht immer, nur manchmal. Doch wenn ich das Orgasmusfeld sehe, weiß ich, dass ich unaufhaltsam komme und dass es gut wird.
    Ich rufe um Hilfe, ich sage Nein, aber alles steigt hoch, das blaue Wasser, der gelbe Weizen rollen in einer Welle auf mich zu. Ich bekomme sie nicht in den Griff, es wird dich verschlingen, ich versuche zu schreien - und genau in dem Augenblick, in dem sie mich erfasst, rufe ich »Apfel«. Apfel überrollt mich schließlich, Apfel. Als Nächstes sehe ich Gerry, der mir seine Arme entgegenstreckt. Ich greife nach ihm, von meinen Händen baumeln Krawatten. Keine Ahnung, wann er mich losgebunden hat, oder ob ich überhaupt gefesselt war.
    »Es war zu viel«, sage ich ihm.
    »Warum hast du nicht ›Apfel‹ gesagt? Ich meine, früher?«
    »Ich habe nicht daran gedacht.«
    »Ich wusste nicht so recht, was ich machen sollte.«
    »Du hast es richtig gemacht. Es war mein Fehler, ich habe nicht daran gedacht.«
    »Es scheint dich mächtig erwischt zu haben.«
    Na … ja.
    Er schiebt die Krawatten von meinen Handgelenken, legt sich neben mich auf den engen Liegestuhl und zieht meinen Kopf an sich. Der Duft seiner Bay-Rum-Seife umweht mich. Sein Atem geht allmählich gleichmäßiger, meiner
ebenfalls, er hebt und senkt sich in Gerrys Rhythmus, als wären wir eins, als würden wir uns seit Jahren kennen. Daran bin ich nicht gewöhnt. Ich bin nicht gewöhnt, nach dem Sex in den Armen eines Mannes zu liegen. Im ersten Moment fühle ich mich eingeschränkt, dann fühlt es sich zunehmend gut an, fast sage ich ihm, dass ich ihn liebe, schließlich liegen seine Arme schwer auf meinen Rippen, und ich fühle mich wieder eingeschränkt. Das hier ist ein mysteriöses Land. Eine mysteriöse Küste, an der ich gestrandet bin, ich bin wie jene Entdecker, die vor Jahrhunderten nach Indien segelten und stattdessen in der Karibik landeten.
    Er sagt etwas. Ich glaube, er nennt mich Liebling. Und da sind Vögel, sagt er, er sagt etwas von Vögeln in der Ferne. Ich sehe keine Vögel. »Sie sind wunderschön, nicht wahr?«, fragte er, und ich antworte mit Ja, weil sie es vermutlich sind.
    »Jeden Augenblick fängt das Spiel an«, erinnert er mich.
    »Ich weiß. Wir müssen wetten.«
    Keiner von uns bewegt sich.
    Als ich in meiner Kindheit von den Entdeckern las, hat mich ihre Arroganz, diese Arroganz der Weißen, wütend gemacht. Wie konnten sie es wagen, Menschen Indianer zu nennen, wenn sie nicht in Indien waren? Ich schrieb eine Arbeit mit dem Titel »Der

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