Ein Mann zum Heiraten
Blick.
Hat er denn nie Angst?, fragte sie sich bitter. Gab es nichts, das seine eiserne Selbstbeherrschung ins Wanken bringen konnte? War er noch nie verletzt worden? Hatte er sich noch nie so nach einer Frau gesehnt, dass ihm nichts anderes wichtig war?
Wenn das der Fall war, dann habe ich davon nichts mitbekommen, dachte Poppy. Andererseits war sie zu sehr mit ihren eigenen Gefühlen beschäftigt gewesen, um sich um andere zu kümmern.
Allmählich beruhigte sie sich wieder und entspannte sich ein wenig.
Den Drink, den die Stewardess ihr anbot, lehnte sie ab und nahm die Unterlagen aus ihrer Aktentasche, um etwas zu arbeiten. James war bereits in einige Papiere vertieft. Solange er damit beschäftigt ist, wird er mich wenigstens in Ruhe lassen, dachte Poppy erleichtert.
“Sieh nur, James, was für eine fantastische Aussicht!”, sagte Poppy entzückt angesichts des beeindruckenden Panoramas, das sich ihnen bot.
Obwohl ein Zubringerservice vom Flughafen zum Hotel eingerichtet worden war, hatte James sich dafür entschieden, einen Leihwagen zu nehmen. Über die Aussicht, drei Stunden allein mit ihm in einem Wagen zu verbringen, war Poppy nicht besonders begeistert gewesen. Bis sie die Berge erreicht hatten, hatte sie daher ihren Gedanken nachgehangen, um nicht mit James Konversation machen zu müssen. Wenn sie sich mit ihm unterhielt, endete es doch immer nur im Streit.
Aus Stolz und in Anbetracht der Tatsache, wie taktlos und feindselig er ihr gegenüber gewesen war, hatte sie ihm nicht erzählt, dass ihre Gefühle für Chris sie mittlerweile nur noch belasteten und sie sich davon befreien wollte.
Wenn James und sie sich nähergestanden hätten, hätte sie ihm vielleicht gesagt, dass sie sich danach sehnte, sich jemandem anzuvertrauen. Wenn er noch derselbe gewesen wäre wie damals … Aber er war nicht mehr der nette Cousin von damals, mit dem sie eine tiefe Freundschaft verband.
Als sie die Berge erreicht hatten, war Poppy jedoch von ihrem Vorsatz abgewichen, Distanz zu James zu halten und ihm so keine Gelegenheit zu geben, sie zu kritisieren. Die serpentinenreiche Gebirgsstraße führte durch kleine Dörfer und staubige Orte mit Marktplätzen aus der Renaissance. Poppy konnte sich lebhaft vorstellen, wie dort in vergangenen Zeiten bewaffnete Soldaten zusammen mit den Fürsten, unter deren Befehl sie standen, um das fruchtbare Land gekämpft hatten.
Heute wirkten die Orte verschlafen, und nur die Architektur erinnerte noch an diese bewegte Epoche. Die Landschaft war so atemberaubend schön, dass Poppy ihre Eindrücke einfach nicht für sich behalten konnte.
James war natürlich weniger beeindruckt. Da seine Verwandten in der Toskana und in Rom lebten, war er sowohl mit der herrlichen Landschaft als auch mit der imposanten Architektur Italiens vertraut. Auf ihre impulsive Bemerkung hin drehte er sich zu ihr um und meinte: “Aber zweifellos würdest du die Aussicht noch mehr genießen, wenn mein Bruder jetzt bei dir wäre. Wirklich zu schade, dass Chris deine Begeisterung nicht teilt. Er ist ein Stadtmensch, und das ist eine weitere Eigenschaft, die Sally und er gemeinsam haben und ihr nicht.”
Poppy fühlte sich wie ein Kind, das man ungerecht behandelt hatte. Schweigend wandte sie sich ab, damit er nicht sah, dass ihr die Tränen in die Augen gestiegen waren.
Selbstverständlich wusste sie, dass Chris ihr Interesse für Geschichte und ihre Begeisterung für die Natur nicht teilte. Das hatte er selbst oft genug eingeräumt.
Allerdings hatte sie nicht vor, sich zu verteidigen oder James zu sagen, dass sie sich gar nicht gewünscht hatte, Chris wäre bei ihr – was ihr seltsam genug vorkam.
Zum Glück kann es nicht mehr weit sein, dachte sie. Sie schloss die Augen und lehnte sich zurück, wobei sie das Gesicht weiterhin abwandte.
Vier Tage, viermal vierundzwanzig Stunden … Unwillkürlich erschauerte sie bei der Vorstellung. Hoffentlich vergeht die Zeit schnell, betete sie insgeheim.
“Poppy.”
Schläfrig öffnete Poppy die Augen und richtete sich auf, als sie merkte, dass sie ihr Ziel erreicht hatten. James hatte den Wagen im Innenhof des Hotels geparkt.
Wie Poppy aus der Lektüre des Prospekts wusste, handelte es sich um eine ehemalige Festung, die ein italienischer Fürst im Mittelalter zum Schutz seines Landes hatte erbauen lassen. Trotzdem war sie zutiefst beeindruckt, als sie das imposante Gebäude vor sich erblickte. Es sah aus, als hätte man es aus den Felsen gehauen, und die hohen,
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