Ein Mann zum Heiraten
James ins Zimmer kam. Poppy arbeitete gerade an den Übersetzungen, die schwieriger waren, als sie erwartet hatte. “Bist du schon fertig, Poppy?”, erkundigte er sich im Befehlston.
“Fast.” Sie hoffte, sie würde nicht feststellen, dass etwas fehlte, wenn sie die Unterlagen anschließend noch einmal durchlas. Als er ihr über die Schulter schaute und dabei die Stirn runzelte, fügte sie herausfordernd hinzu: “Falls du damit nicht zufrieden bist oder glaubst, du hättest es besser gemacht …”
“Wenn ich es besser könnte als du, würdest du nicht als Übersetzerin für uns arbeiten.” Sobald sie fertig war, nahm er die Unterlagen in die Hand, um sie zu lesen. Dabei meinte er: “Weißt du, Poppy, dass wir verwandt sind, hat keine Bedeutung für unser berufliches Verhältnis zueinander. Du behauptest immer gern, dass du den Job aufgrund deiner Qualifikationen bekommen hast und nicht aufgrund der Tatsache, dass deine Mutter Aktienanteile an der Firma besitzt. Aber es macht dir offenbar nichts aus, dir deine verwandtschaftliche Beziehung zu mir zunutze zu machen …”
“Du bist derjenige, der das tut, nicht ich”, verteidigte sie sich. “Schließlich hättest du mich nie dazu zwingen können, das Zimmer mit dir zu teilen, wenn ich nicht deine Cousine wäre.”
Poppy sah ihm an, dass er das nicht gern hörte. Sein Pech, dachte sie. Schließlich hatte er das Thema selbst angesprochen.
“Du weißt, was dein Problem ist, stimmt’s, James?” Sie drehte sich um und sah ihn finster an. “Du bist ganz versessen darauf, andere zu kontrollieren, aber
mich
kannst du nicht kontrollieren. Niemand kontrolliert mich.”
“Nein”, bestätigte er trocken. “Niemand kontrolliert dich, nicht einmal du selbst.”
Als James sie betrachtete, erinnerte sie sich nur zu lebhaft an eine nicht lange zurückliegende Situation, in der sie tatsächlich die Kontrolle über sich verloren hatte. Da sie spürte, wie sie errötete, wandte sie sich schnell wieder ab.
“Ich dachte, du wolltest heute mit deiner japanischen Freundin einen Ausflug machen”, meinte sie, während sie die Unterlagen zusammensuchte.
“Das habe ich auch vor.” Nachdem er einen Blick auf seine Armbanduhr geworfen hatte, nahm er Poppy die Unterlagen aus der Hand. “Bist du jetzt fertig? Ist alles dabei?”
“Ja”, erwiderte sie angespannt, denn sie merkte, dass er es eilig hatte.
“Möchten Sie noch Wein?”
Lächelnd schüttete Poppy den Kopf und legte die Hand auf ihr fast leeres Glas.
“Ich glaube, ich höre auch lieber auf”, meinte Gunther bedauernd. “Schließlich muss ich noch fahren.”
Fast zwei Stunden waren sie bei herrlichem Sonnenschein durch die Berge gefahren, bevor sie schließlich in einem Ort angehalten hatten, der so malerisch war wie eine Film- oder Theaterkulisse.
Unbefangen wie zwei Schüler, die freihatten, schlenderten sie durch die Gassen und kauften sich unterwegs ein Eis. Es war so lecker, dass Poppy verzückt die Augen schloss.
Schließlich schlug Gunther vor, nicht gleich zum Hotel zurückzukehren, sondern vorher etwas zu essen und Wein einzukaufen und am Ufer des Flusses, den sie unterwegs gesehen hatten, ein Picknick zu machen.
“Haben wir denn noch Zeit dazu?”, erkundigte sie sich zweifelnd. Da sie keine Uhr dabeihatte, wusste sie nicht, wie lange sie schon unterwegs waren.
“Die Zeit nehmen wir uns einfach”, hatte Gunther verkündet, sodass Poppy lachend nachgegeben hatte. Sie genoss es, weit weg von James zu sein und nicht ständig an die unerfreulichen Folgen der Auseinandersetzungen mit ihm denken zu müssen.
Sie hatte keine Ahnung, wie lange Gunther und sie schon am Flussufer saßen. Da die Schatten immer länger wurden, vermutete sie jedoch, dass es bereits spät war.
“Wir sollten lieber aufbrechen”, schlug sie widerstrebend vor.
“Und was ist, wenn ich mich weigere?”, neckte er sie. “Was ist, wenn ich sage, dass ich hier für immer mit Ihnen sitzen möchte?”
Selbst als sie daraufhin lachte, war der Ausdruck in ihren Augen traurig.
Der Ausflug war eine willkommene Abwechslung gewesen, aber ihr war klar, dass es ihr dadurch letztendlich nicht besser gehen würde. Das lag nicht zuletzt auch daran, dass Gunther, so nett er war, keinem Vergleich mit James standhielt.
James … Poppy erstarrte förmlich und fragte sich, warum sie automatisch an James dachte, nur weil sie unfähig war, auf Gunthers Annäherungsversuche einzugehen. Sicher lag es an ihrer Liebe zu Chris, dass
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