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Ein Mensch namens Jesus

Ein Mensch namens Jesus

Titel: Ein Mensch namens Jesus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerald Messadié
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mir sagen lassen, daß die römischen Soldaten enthaltsam leben. Daher habe ich angeordnet, daß man ihnen nur die halbe Ration serviert«, meinte Herodes obenhin.
    Diese Autoritätsbekundung war denn doch ein starkes Stück. Der Legat, der gerade begann, mit Mühe aufzutauen, erstarrte in übellaunigem Schweigen. Trotzdem besänftigten bereits die erste Bissen — Langusten und Oliven in Zitronensaft — unmerklich seinen Unmut. Als er in den ersten Rebhuhnschenkel biß und die knusprige und hauchdünne Haut genoß, das rosa Fleisch von geradezu sündhafter Zartheit und die leicht süßsaure Granatapfelsoße mit grünem Pfeffer, begann er wieder dahinzuschmelzen. Er lächelte selbstzufrieden und verlangte nach neuem Wein. Als hätten sie nur auf dieses Zeichen der Anerkennung gewartet, erhoben jetzt erst seine Leibwachen am anderen Ende des Saales ihre Stimmen, und auch die Musik schwoll an. Herodes mußte sich ein Lächeln verbeißen; Der Römer war schneller umzustimmen, als er gedacht hatte; der Augenblick war günstig, um eine Attacke vorzunehmen, bevor der Botschafter vollständig dahinschmolz und beim Genuß des Weines seine Zurechnungsfähigkeit verlor. Man würde an Rom Geld abgeben müssen, daran war nicht mehr zu rütteln, doch diesen Leuten mußte zu verstehen gegeben werden, daß sie, wäre er nicht Herodes, keinen müden Sesterz vom Orient zu erwarten hätten. Der Monarch erkundigte sich liebenswürdig, ob sein ehrenwerter Gast mittlerweile über eine klare Vorstellung der Situation in Palästina verfüge.
    »Nun, wenn ich glaube, etwas begriffen zu haben, so, daß du, erhabener Herodes, vollkommen Herr der Situation bist. Doch ich würde gerne wissen, warum eigentlich gerade dieses Land so rebellisch zu sein scheint. Man hat mir dies und das über die Juden erzählt, aber ich muß gestehen, daß ich mich außerstande sehe zu verstehen, weshalb dein Volk in so viele aufrührerische und rivalisierende Parteien aufgespalten ist. Ich habe schon einiges erlebt an Zwistigkeiten in den fernen Provinzen Roms, doch die herrschten stets zwischen Stämmen, die keine Verwandtschaft miteinander verband. Außerdem ging es dort um ganz offensichtlich materielle Belange: fruchtbares Land, Städte oder Kriegsbeute. Hier aber sehe ich kaum ein Motiv für die ständigen Revolten, von denen man mir berichtet hat.«
    »Ach?« antwortete Herodes. »Vielleicht deshalb, weil die Römer eine bessere Meinung von den Juden haben als die Juden von sich selbst. Ich meine, die Römer glauben noch an die Existenz einer jüdischen Nation, während die Juden wissen, daß dies eine Fiktion ist.«
    Der Legat war gerade unfähig, auch nur eine Silbe zu artikulieren; er hatte den Mund voll mit Rebhuhnfleisch und strahlte vor Gaumenwonne.
    »Du mußt wissen«, fuhr Herodes fort, »seit dem Beginn des Niedergangs von Davids großem Königreich vor acht Jahrhunderten haben sich die Juden auseinandergelebt. Nimm die Samariter, zum Beispiel. Sie behaupten, aus den Zehn Stämmen hervorgegangen zu sein, das heißt, sie erheben den Anspruch, als echte Hebräer zu gelten, sowohl bezüglich des Blutes als auch des Glaubens und ihrer Bräuche. Dieser Anspruch jedoch steht im völligen Widerspruch zu einem der Heiligen Bücher, dem Buch der Könige, demzufolge sie in Massen nach Assyrien verschleppt wurden und ihre ursprüngliche Eigenart dort in heidnischen Verbindungen verloren. Allein dies wäre bereits ein gewichtiger Grund für Zwiste mit den übrigen Juden. Hinzu kommt aber, daß die Samariter auch behaupten, ein anderes Heiliges Buch, das >Deuteronomium<, sei falsch, weil es den von Gott auserwählten Ort auf dem Berge Zion ansetzt, während es sich doch, ihrer Ansicht nach, um den unweit von dort gelegenen Berg Garizim gehandelt habe...«
    Der Legat, der nicht die geringste Ahnung hatte, was das Buch der Könige oder das »Deuteronomium« war, nickte interessiert, während er seine Finger in eine Schale mit lauwarmem und parfümiertern Wasser tauchte. Dann trank er einen Schluck Wein und stellte fest, daß man die Weinsorte gewechselt hatte. Der erste war leicht und kühl gewesen, dieser hier nun war temperiert und schwerer; es war ein Muskateller, hergestellt aus der Traubensorte, die man »phönizische Datteln« nannte.
    »Im übrigen«, fuhr Herodes fort, »verfechten die Samariter den Standpunkt, daß der Altar Gottes nicht auf dem Berg Ebal hätte errichtet werden dürfen, wie es die übrigen Juden wollten, sondern vielmehr auf dem Berg

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