Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein Mensch namens Jesus

Ein Mensch namens Jesus

Titel: Ein Mensch namens Jesus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerald Messadié
Vom Netzwerk:
Unverschämtheit«, fuhr Herodes fort, indem er sein Gewicht verlagerte und mit königlicher Selbstsicherheit seine Genitalien in eine bequemere Lage brachte, »dreimal hintereinander Delegationen nach Rom zu schicken, um Markus Antonius — dem Himmel sei Dank, vergeblich — zu bitten, mich abzusetzen!«
    Der Legat tat empört, als verschlage ihm das den Atem, und wäre tatsächlich beinahe dabei erstickt. »Bring sie um!« rief er aus.
    »Ich kann sie natürlich nicht alle töten lassen, weil das Volk zu ihnen hält, obwohl die Pharisäer im Ruf stehen, Meister der Pflichtvergessenheit zu sein und auch der Kunst, schlechtabgewogene Scheffel als volle zu verkaufen. Doch hie und da ein paar Kreuzigungen, das hält sie schon unter Kontrolle. Sie können ja auch nützlich sein, denn im Grunde genommen stellen sie die Elite des jüdischen Volkes: Kaufleute, Philosophen und natürlich Schriftgelehrte. Dem Himmel sei Dank, daß ihr Einfluß auf den Sanhedrin, unseren Gerichtshof für religiöse Belange, durch die Sadduzäer in Schach gehalten wird.«
    Dem Legaten fiel auf, daß der König innerhalb weniger Augenblicke zweimal den Himmel angerufen hatte. Er wollte sich gerade fragen, welcher jüdischen Kaste wohl der König der Juden angehörte, als ihm einfiel, daß der König gar kein Jude war.
    »Diese Hunde! Sie mögen mich nicht!« rief Herodes. »Nun gut, schlimmer aber ist: Ich mag sie nicht. Diese verfluchten Intriganten, die Verschwörungen anzetteln und unter meinen und deinen Füßen, Metellus, raffinierte Intrigen spinnen.«
    Der Legat, mittlerweile völlig vom Alkohol benebelt, lächelte den König trunken und verständnislos an.
    »Aber ja, Metellus!« wetterte Herodes weiter, wobei er die Höflinge aufschreckte, die vor sich hin dösten oder weinselig die Decke anstierten. »Direkt unter diesem Fußboden, in den Küchenräumen, da sitzen mindestens ein Dutzend Pharisäer, die wissen wollen, was ich gegessen, was ich getrunken habe, und die die bedienenden Sklaven bestechen, um an ein paar Gesprächsbrocken heranzukommen. Glaubst du etwa, ich weiß nicht genau Bescheid über all das? Hierher, David!« rief er einem Mundschenk zu. Dieser, ein Bursche mit ebenholzschwarzen, langen Locken über geschminkten Augen, kroch nahezu Herodes zu Füßen. »Wie viele Pharisäer treiben sich zur Stunde in den Küchenräumen herum, sprich!« Er legte dem jungen Mann seine schwere Hand auf den Nacken.
    »Zehn, glaube ich.«
    »Und sag meinem lieben Freund hier auch, was sie da unten treiben! Kochen werden sie wohl kaum oder Soßen kosten, nehme ich an.«
    »Nein, mein Gebieter. Sie sehen sich die Platten an, die nach oben getragen werden und wieder herunterkommen, und sie zählen die Knochen.«
    Herodes prustete so laut los, daß die Unterhaltungen im ganzen Saal verstummten. »Sie zählen die Knochen, haha! Und was gibt’s noch, Junge?«
    »Sie stellen fragen nach den Gesprächsthemen in diesem Kreis, mein Gebieter.«
    Der Legat richtete sich von seiner Liege auf. Er hatte seine Zweifel an dem, was er soeben zu hören bekam. Schriftgelehrte beim Zählen abgenagter Knochen!
    »Und worüber, sagst du ihnen, unterhalten wir uns?« fragte Herodes.
    »Über die Fertigstellung des Tempels, o Herr«, antwortete der Mundschenk.
    »Über die Fertigstellung des Tempels, natürlich!« Wieder platzte Herodes los und hielt sich den Bauch vor Lachen. »Hier, mein Junge, das ist für dich.« Er reichte dem Burschen eine große Silbermünze. »Sag ihnen, du seiest dir nicht sicher, aber du hättest den Eindruck, wir redeten über die bevorstehende Verhaftung verschiedener Mitglieder des Sanhedrin. Geh und sei ein guter Schauspieler!« Er wandte sich dem Legaten zu und meinte: »Keine Viertelstunde wird es dauern, und zwanzig aufsässige Mitglieder des Sanhedrin sind in heller Aufregung. Eine schlaflose Nacht werden die verbringen.«
    »Warum duldest du diese aufrührerischen Pharisäer?« fragte der Legat mit dem Rest an Klarsicht, den der Magen seinem Gehirn noch zugestand.
    »Ich habe es dir doch schon gesagt, Metellus! Was sollte ich tun? Sie alle töten? Ist das eine Art zu regieren? Also spiele ich die Sadduzäer gegen sie aus. Hat man dir erklärt, wer die Sadduzäer sind? Das sind die Nachkommen der Söhne Zadoks, des alleinigen Oberpriesters unter Salomons Herrschaft, daher ihr Name. Der Prophet Ezechiel hat bestimmt, daß sie am würdigsten seien, den Tempel zu leiten. Und sie haben ihr Vorrecht für sich behalten; sie bilden

Weitere Kostenlose Bücher