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Ein Mensch wie Du

Ein Mensch wie Du

Titel: Ein Mensch wie Du Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Nährkraft, ohne Lebensbaustoffe … Gewächse wie aus den chemischen Nährböden von Tuberkelbazillen … Fragen Sie diese Jungen doch einmal nach Idealen, fragen Sie sie, was sie unter Kunst verstehen! ›Geldverdienen‹, werden sie dann sagen, ›wenn ich eine gute Stimme habe, kann ich zum Film kommen, werde ich berühmt, kaufe ich mir einen schönen Sportwagen, lege ich mir eine feudale Geliebte zu …‹«
    »Professor …«
    »Es ist die Wahrheit, liebe Sandra. Wer singt heute noch um des Gesanges willen, allein nur als Diener der Kunst, nicht als ihr merkantiler Ausnutzer? Ich habe in drei Jahren – von 1947 bis 1949 – dreiundzwanzig junge Sänger ausgebildet, darunter Stimmen, die eine Hoffnung waren, die ein Name, ein Begriff werden konnten … Wo sind sie hin, die dreiundzwanzig? Siebzehn – hören Sie genau zu –, siebzehn sind Jazzsänger geworden, drei landeten bei Opern und kommen über eine Charge nicht hinaus, weil sie Schindluder mit ihrer Stimme treiben, zwei sind gestorben, und nur einer, ein einziger, hat seinen Weg gemacht … Er singt in Kopenhagen an der Oper als lyrischer Tenor. Aber auch er wird bald abtreten … Er ist mit der Tochter eines dänischen Gutsbesitzers verlobt. Dreitausend Morgen Land sind mehr, als jeden Abend auf der Bühne zu stehen und zwischen Leimgestank und bemalter Leinwand musikalische Tragödien zu mimen. Der Junge ist satt geworden, und er geht ab! Das waren dreiundzwanzig, und deshalb werde ich warten, ob dieser Franz Krone wiederkommt. Kommt er, wird die Welt einmal überrascht sein … Bleibt er in Liblar, so wird man schöne Blumen von ihm kaufen können und Saatbohnen für den Schrebergarten, frische Petersilie und Schnittlauch für den Quark … Das Leben, liebe gnädige Frau, ist so dumm und verworren, so unlogisch – und doch liegt in allem die Hand Gottes, der weiter sieht als wir …«
    Sandra Belora sah Professor Glatt an. In ihren Augen lag ein fast kindliches Erstaunen über das, was sie eben gehört hatte. Es war ihr, als habe sie in die Seele des kleinen Mannes geblickt, der jetzt sein graues Mähnenhaupt über die Noten beugte und sie zusammenschob.
    »Und wenn er zurückkommt …?« fragte sie leise.
    »Dann werde ich aus ihm einen Sänger machen, wie ich noch keinen aus meinen Händen entlassen habe.«
    Sie sahen sich an, und sie wußten, daß das Schicksal des unbekannten Franz Krone an diesem Morgen merkwürdig auch mit ihrem eigenen Schicksal verbunden worden war.
    »Er wird kommen«, sagte Sandra Belora fest.
    Sie gaben sich die Hand, es war ein harter, fast verpflichtender Druck.
    So lernte Franz Krone Sandra Belora kennen.

2
    Aus den Aufzeichnungen Franz Krones:
    Ich weiß nicht, wo ich zuerst beginnen soll. Das Leben ist in den vergangenen vierzehn Tagen auf mich ein- und über mich hinweggestürmt, und ich sitze noch immer wie betäubt und weiß nicht, ob das alles recht war und ob ich nicht zu feig war, einfach zu sagen: »Nein! Ich will es nicht …«
    Sandra Belora war bei mir, hier in der Gärtnerei.
    Sie kam am Spätnachmittag … Aus einer Staubwolke schälte sich ein weißer Wagen, und ich stand am Mistbeet, grub eine Fuhre Stallmist unter und trug die alte, ausgebleichte, grüne Schürze, die schon mein Vater umband, wenn er in den Mistbeeten arbeitete. Zuerst sah ich nur ihre Beine – schöne, lange, schlanke Beine in dünnen Strümpfen –, wie sie nach dem Boden angelten, als sich die Tür des weißen Wagens öffnete. Dann stand sie selbst vor meinem Zaun – in einem cremefarbigen Kleid aus Seide, die schwarzen Haare glänzten in der Sonne, sie trat an den Zaun heran und winkte mir zu wie einem alten Bekannten. Ich stand mit der Mistforke in der Hand und schämte mich meines Aufzuges, ja, ich wurde rot wie ein Schulmädchen, ich fühlte, wie mir das Blut singend zu Kopf stieg.
    »Hallo!« rief sie und winkte mit beiden Armen. »Darf ich hereinkommen?«
    »Aber ja – bitte.« Ich weiß, daß ich stotterte … Ich band schnell die schmutzige, nach Jauche stinkende Schürze ab und warf sie hinter den Geräteschuppen. Dann stand sie vor mir, der Wind drückte ihr seidenes Kleid an den schlanken Körper, ihre schwarzen Haare wehten über die Augen. Sie sah sich um und ging durch die Beete, bückte sich zu den Gladiolen hinunter und richtete vorsichtig eine Rose auf, die eben erblüht an einem geknickten Zweig hing. »Sie wundern sich sicher, daß ich gekommen bin …«
    »Allerdings, gnädige Frau. Diese schmutzige Umgebung

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