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Ein Mensch wie Du

Ein Mensch wie Du

Titel: Ein Mensch wie Du Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Appia eine Farm«, sagte sie und bog den Kopf dabei zu mir zurück. »Ich habe sie mir von den Honoraren einer Operngastspielreise durch die USA gekauft.« Sie lachte, und wie ihr Lachen mußten die Kaskaden der Brunnen im Park der Villa d'Este sein. »Sie kostete mich fünfzehn Opernabende.«
    »Warum sagen Sie mir das?« fragte ich. Ihre Stimme hatte mich erregt, ich lehnte an der Glaswand des Treibhauses und mußte bleich aussehen, wie ein Lungenkranker.
    »Sie haben eine gute Stimme«, antwortete sie mit diabolischem Lächeln. »Sie brauchten mit ihr vielleicht nur zehn Abende.«
    »Was wollen Sie von mir?« fragte ich. Mir schien, als hätte ich es etwas grob gefragt, aber ich hatte das Gefühl, meine Kehle sei ausgedorrt, und mit dieser rauhen, schmerzenden, wunden Kehle sollte ich sprechen und singen und freundlich sein.
    »Ich möchte Ihre Stimme erhalten. Sie gehören nicht nur Ihren Blumen und Pflanzen … Sie gehören uns allen … Mir auch …«
    Das hatte sie gesagt. Ihre Augen waren wie Gold, und ich vergaß Greta, und ich vergaß ›unseren‹ Garten. Ich verriet sie, ich verriet meinen Vater, sein Testament, ich verriet mich selbst, ich erbärmlicher Schwächling, ich Mensch ohne Knochen – ich wurde ein Verräter, ein Lump …
    Sandra blieb nicht bis zum Morgen in meinem Gartenhaus – sie fuhr nach zwei Stunden in ihrem weißen Wagen wieder davon, untergehend in einer Staubwolke, aus der sie vor meinen Augen entstiegen war. Ich blieb zurück, innerlich zerstört, ausgebrannt wie Schlacke, die man auf Wege streut und knirschend mit dem Fuß zermalmt. Ich lehnte am Fenster und sah sie abfahren, und um mich herum, in der kleinen, dumpfen Stube war noch ihr Duft, ihr Parfüm, die tierhafte Witterung ihres Körpers.
    Was hatte ich getan?! Traf mich allein die Schuld? War ich nicht der Zerstörte, der Besiegte, der im Staub Liegende, statt sieghaft zu triumphieren und den eigenen Willen wie einen Schild vor mir herzutragen, wie ein Banner: »Sieh, das will ich, das werde ich tun! Ich habe dich bezwungen.« – Wie schwach ich bin, wie ohne Charakter, wie schuftig …
    Und während ich diese Zeilen schreibe, während draußen die Sonne blutend untergeht und der Garten, mein Garten glänzt, als sei er mit Gold überschüttet und mit flüssiger Sonne gedüngt, sitze ich hier und friere in der Schuld, die mich zu Boden wirft, und möchte mit Hiob schreien. »Der Tag müsse verloren sein, darin ich geboren bin …!«
    Ich kann es selbst nicht glauben, ich will das Stück Papier nicht sehen, das wahr ist, das vor mir liegt und mir die Schuld entgegenschreit, aus der ich nie entlassen werden kann. Aber es ist da … Es liegt hier, eng beschrieben, und am Ende eine Unterschrift, von meiner Hand …
    Vater, vergibt mir, wenn du es kannst. Ich habe dich verraten.
    Und ich schrei' es dir zu, ich will es hinausschreien zu jedem, der mich fragt. Ich hasse Sandra Belora … Ich habe meine Gärtnerei verkauft …
    Drei Monate später sah Franz Krone Sandra wieder. Er stand im Zimmer Professor Glatts und übte seit zwei Stunden – mit nur einer kleine Pause für die Frühstücksmilch, die ihm der Hausmeister grinsend herausgab – eine einfache Tonleiter. Er sollte sie singen mit einem Atem, auf- und abschwellend, ineinander überfließend, Messa di voce, wie es der italienische Kunstgesang nennt, ringen um das Geheimnis des Schmelzes und der mühelosen Atemführung.
    An diesem Tag beachtete er Sandra Belora nicht, als sie zu Professor Glatt ins Zimmer trat, eilig, in einem Reisekostüm, mit geröteten Wangen. »Ich habe es eilig, Herr Professor«, rief sie und umarmte Glatt stürmisch. »In einer Stunde fliegt meine Maschine. Ich wollte mich nur verabschieden. Es geht für sieben Wochen nach Spanien!«
    »Viel Erfolg!« Professor Glatt klopfte ihr auf die Schulter. »Darf ich spucken?« fragte er lachend.
    »Bitte!« Sie hielt ihm kokett die Schulter hin. Professor Glatt spuckte symbolisch darauf und rief dabei das alte Toi-toi-toi, das Zauberwort der Bühne, das Sesam-öffne-Dich für den ersehnten Erfolg.
    Franz Krone hatte sich abgewandt und an das Fenster gestellt. Sein Herz trommelte in der Brust, mit verkrampften Händen stützte er sich auf die Fensterbank und biß die Lippen zusammen. Er hörte einen leichten Schritt, eine Hand legte sich auf seine Schulter.
    »Sie sind bei Glatt?« sagte Sandra, als er sich brüsk umwandte und sie anstarrte. Ihre Augen waren wieder fast schwarz wie damals, als sie die Lampe

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