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Ein Mensch wie Du

Ein Mensch wie Du

Titel: Ein Mensch wie Du Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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in seinem verdunkelten Zimmer umstieß. »Oh«, hatte sie damals gerufen, »wie unachtsam ich bin! Jetzt habe ich die Lampe umgeworfen, und wir sind im Dunkeln. Fast wie in ›Bohème‹.« Er wollte etwas sagen, er wollte sich bücken, die Lampe aufzuheben, da umfaßte sie ihn und drückte ihre heißen Lippen auf seinen Mund. Und die Lampe blieb auf dem Boden liegen …
    Franz Krone sah sie starr an, maskenhaft war sein Gesicht versteinert. Sandra stand dicht vor ihm, ihr Atem streifte seine Stirn.
    »Sie haben sich doch entschlossen, Sänger zu werden?«
    »Geh!« sagte er leise zwischen den Zähnen.
    Sie zog die Augenbrauen hoch und neigte den Kopf ein wenig. »Viel Erfolg«, meinte sie leichthin. »Vielleicht sehen wir uns einmal in irgendeiner Oper wieder …«
    Sie wandte sich ab und ging, Professor Glatt unterfassend, aus dem Zimmer. Franz Krone lehnte an der Wand, ein Zittern durchrann seinen schmächtigen Körper. Er stürzte an das Fenster zurück und sah sie unten durch den Vorgarten gehen, trippelnd, auf hochhackigen, weißen Pumps. Vor dem Palais am Oberländer Ufer parkte ihr weißer Wagen. Sie drehte sich am Tor noch einmal um, winkte Professor Glatt zu, der anscheinend in der Tür stand und zurückwinkte, sie warf eine Kußhand und blickte dann schnell empor zu dem Fenster, hinter dessen Gardine Franz Krone stand und auf sie hinunterstarrte.
    »In irgendeiner Oper«, sagte er leise. »Wir sehen uns wieder, Sandra … Schneller, als du dachtest. Ich werde lernen, lernen, lernen, ich werde mich auspumpen und wieder vollsaugen wie ein Schwamm mit allem, was ich wissen muß; und dann werde ich dich finden, an irgendeiner Oper auf dieser Welt, und ich werde dich mit deinen eigenen Waffen schlagen … Mit deiner Stimme und deiner verfluchten Liebe …«
    Als Professor Glatt wieder ins Zimmer zurückkam, stand Krone am Flügel und schlug die Töne an, die er eben geübt hatte, als Sandra eingetreten war. Glatt blieb jetzt bei ihm stehen und beobachtete ihn, wie er mit zitternden Fingern die Töne aussuchte.
    »Haben Sie etwas gegen Frau Belora?« fragte er unvermittelt.
    Franz Krone schrak empor. »Gegen …? Nein, durchaus nicht. Warum auch? Ich kenne sie ja kaum …«, stammelte er verlegen.
    Glatt nickte und setzte sich auf seinen Klavierstuhl. »Atmen Sie mit dem Zwerchfell ein, so weit Sie können, und dann halten Sie einmal diesen Ton hier, auf- und abschwellend, immer lauter und leise und wieder laut, nur diesen Ton …«
    Anschlag … Das G … Singen … Singen …
    Sandra … Die Gärtnerei gehört jetzt einem Friedrich Brahm. Er kommt aus Pommern. Er war glücklich, daß er sie bekam, er hat geweint vor Freude, er und seine Frau und seine sieben Kinder. »Ich hatte in Pommern, bei Kolberg, wissen Sie, eine Landwirtschaft … drei Stallungen, ein schönes Haus und dreihundert Morgen unter dem Pflug, hundert Morgen Weide und zweihundert Morgen Wald und Kusseln.« – »Und auch ich habe geweint, als ich auszog, als ich das Haus verließ, in dem ich geboren wurde, in dem mein Vater, vielleicht ahnend, welche Krankheit ihn niederwarf, den letzten Brief an mich schrieb … ›Erhalte die Gärtnerei.‹ Und ich habe sie verkauft, für ein paar lumpige tausend Mark verkauft, nachdem du bei mir warst und die Lampe umwarfst – versehentlich, du Aas …«
    Das G … An- und abschwellend … Mit einem Atemzug … Das Zwerchfell schön langsam entspannen. Wie sagte doch Caruso: »Wenn ich singe, ziehe ich das Gesäß ein …«
    »Gut«, sagte Professor Glatt und schlug einen anderen Ton auf dem Flügel an. »Jetzt dieser hier … Nein – treffen Sie ihn genau … Noch einmal … Gut so …«
    Das A … Warum zittert die Stimme nicht? Sie fährt nach Spanien, sieben Wochen lang. Vielleicht singt sie wieder fünfzehn Opern und kauft sich ein neues Gut in der Campagna bei Rom? Mit einem Teich, umgeben von Pinien und Zypressen, Mimosen und Klematis …
    Und Franz Krone sang, verbissen, vom Ehrgeiz getrieben, gezwungen vom Schicksal, das er selbst herausforderte. Ein ›hungriger‹ Sänger.
    In diesen Wochen und Monaten sahen sich Greta und Franz oft. Er hatte ein möbliertes Zimmer in Bayenthal genommen, von dem er kaum fünf Minuten bis zum Palais Oppenheim zu gehen brauchte. Es war ein großes Zimmer mit einer Schlafcouch, einem Spiegelschrank, fließendem Wasser und einem kleinen, durch Eisengitter geschützten Austritt zu einem Garten hin, in dem die Söhne des Hauses mit Pfeil und Bogen nach großen,

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