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Ein Mensch wie Du

Ein Mensch wie Du

Titel: Ein Mensch wie Du Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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ließen. Mit diesem Glas ging er, vor sich hinlächelnd, die Gänge zurück zu Corani und klopfte wieder an. »Er ist nicht anders als die übrigen«, dachte der Arzt dabei. »Lampenfieber will man mit großen Reden übertönen und wissenschaftlich verdecken. Hat mal was gelesen von Schizophrenie und weiß im Grunde gar nicht, was das ist.«
    Er trat ein, als er ein kurzes »Ja!« hörte, und stellte das Glas auf den Tisch. »Ihre Tabletten, Herr Kammersänger«, sagte er dabei ehrfurchtsvoll.
    Corani sah auf die trübe Flüssigkeit und lächelte schwach. »Danke, Herr Doktor. Ich werde Ihre harmlosen Calciumtabletten schlucken. Guten Abend …«
    Verwirrt verließ der Arzt die Garderobe.
    Kurz vor dem Beginn des Konzertes kam Sandra in Coranis Garderobe. Sie trug das neue Abendkleid, ein feuerrotes Seidenkleid aus schwerer Duchesse, mit goldenen Pailletten bestickt. Das enge, schulterfreie und sehr tiefe Oberteil war mit Perlen verziert, die abstrakte Muster bildeten. Darüber trug sie eine weiße, lange Stola aus golddurchwirktem Organza.
    Sie drehte sich vor Corani und trällerte dabei wie eine Lerche. »Wie gefall' ich dir, Liebling?« fragte sie. »Das Kleid heißt: Liebestraum …«
    Corani verzog sein Gesicht zu einem Lächeln, mehr aus Höflichkeit als aus Begeisterung. »Du siehst wunderbar aus, Sandra«, sagte er. »Fast von einer unwirklichen Schönheit! Wer dich so sieht, muß glauben, daß er auf einem anderen Stern lebt.«
    »Das hast du süß gesagt.« Sie beugte sich zu ihm hinab und küßte ihn. »Und auf diesem Stern bist du allein meine Sonne.«
    Es klopfte, Caricacci trat ein, auch im Frack, mit einer Nelke im Knopfloch. Er hatte ein gerötetes Gesicht und war die Fröhlichkeit selbst.
    »Euer Bier!« sagte er laut. »Diavolo! Euer Bier! Es schmeckt wie der götterhafte Met! Allein des Bieres wegen möchte ich ein Jahr lang in Deutschland Gastspiele geben!« Er setzte sich auf das Ruhebett und rückte seine Frackschleife gerade. Aus der Tasche zog er ein Bündel Papiere und warf sie Corani auf den Schminktisch.
    »Die Welt steht seit München kopf!« rief er begeistert. »London, Paris, Stockholm, Brüssel, sogar Belgrad und Moskau bieten sich an. Junge – die Große Oper Moskau will eine Woche mit dir abschließen. Gegen gute, harte Dollars! Hollywood schickt einen Vertragsentwurf: einen Film, Hauptrolle Francesco Corani. Gage – Junge, halte dich fest – 300.000 Dollar! Das sind nach deinem deutschen Geld –«
    »1.260.000 Mark!« sagte Corani ruhig. »Mehr als eine und eine viertel Million!«
    Caricacci steckte die Papiere wieder ein. »Was soll ich telegrafieren? Sie wollen eine Drahtantwort. Dann geht sofort das Drehbuch an dich ab.«
    Francesco Corani blickte zu Sandra hinüber. Wie eine goldrote Flamme stand sie im Zimmer, ihre Haut war dunkel, sie glühte auch innerlich vor Erregung.
    »Ich nehme an!«
    »Viva Corani!« schrie Caricacci. Über der Tür flammte eine rote Lampe auf … Fast in allen Theatern befindet sich über den Türen der Garderoben diese kleine rote Lampe, deren Aufleuchten ein Ruf an den Künstler ist, sich zur Bühne zu begeben.
    »Wenn du heute singst, kannst du singen in dem Bewußtsein, ein Millionär zu sein«, sagte Caricacci fast feierlich.
    An der Tür klopfte es. Hart, schnell hintereinander.
    »Ja! Wir kommen!« rief Sandra. Sie küßte Corani noch einmal auf den Mund, ehe sie die Tür öffnete und alle drei durch den langen Gang hinüber zur Bühne gingen.
    Im Saal war vollkommene Stille, als der Dirigent den Stab hob. Sandra Bolero trat in die Lichtkegel, eine hellrote Flamme vor dem dunklen Hintergrund. Beifall prasselte auf, sie verneigte sich leicht. Das Orchester setzte ein.
    ›Dich, teure Halle …‹ aus dem ›Tannhäuser‹ von Wagner.
    Während die Arie die fast zweitausend Menschen ergriff und die Stimme Sandras über das Orchester hinweg strahlend den Raum erfüllte, stand Corani nervös an der Seite des Generalintendanten und Caricaccis in der Kulisse und sah auf die Bühne.
    Irgend etwas Fremdes, Unbestimmbares, Geheimnisvolles und Beängstigendes hatte ihn ergriffen. Er wußte nicht, was es war, aber er fühlte sich heute müde, so, als habe er eine ganze Nacht hindurch getanzt oder sei mit einem holprigen, schlecht gefederten Auto über aufgerissene, steinige Wege gefahren, stundenlang, ohne Pause, in glühender Hitze, und nun steige er aus, lahm und zerschlagen und unfähig, seine Glieder richtig zu bewegen.
    »Ich habe mich

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