Ein Mörder kehrt heim
»Was weià ich?«
»Stell dir vor, Georg wollte sich stellen, an wen hätte er sich gewendet?«, fragte Matti.
»Stellen?« Sie starrte eine Weile vor sich hin. Die Asche ihrer Zigarette war gefährlich lang geworden.
»Woher willst du das wissen? Du hattest keinen Kontakt zu ihm?«, fragte Anja.
Ingrid drückte die Zigarette aus und erhob sich. Sie trat ans Fenster und nahm das Blatt einer Zimmerlinde zwischen Daumen und Zeigefinger. »Tja«, sagte sie. Sie schaute hinaus.
»Traust du Georg das nicht zu?«, fragte Matti.
»Tja«, sagte Ingrid. Sie atmete einmal durch. »Eigentlich traut man es keinem zu. Aber es kommt vor. Welche sind zu den Bullen gerannt und haben ausgepackt. Ein paar haben bei der Stasi ausgepackt. Das hat der VS sich abholen können.«
»Also, wenn er auspacken wollte, dann heiÃt es ja nicht, dass er jemanden verraten wollte.«
»Auf jeden Fall sich selbst. Das eigene Leben. Das kann man auch verraten. Und wenn sie ihn verknacken, dann kriegt er Rabatt, wenn er andere verrät.«
»Das ist so lange her«, sagte Matti.
»Das ist nicht her, das ist noch«, sagte Ingrid leise. Sie zog ein Papiertaschentuch aus der Jeanstasche und wischte sich das Auge. Sie drehte sich um und blickte Matti lange an.
»Unterstellt, er wollte aussagen. Dann hätte er sich doch einen Anwalt genommen«, sagte Matti.
Sie nickte.
»Und welchen?«
»Kronawitter, Hans-Rudolf Kronawitter. Den flinken Rudi.«
Sie radelten zurück. Anja hatte im Hinterhof der OkerstraÃe ein Fahrrad gefunden. Auf dem Kottbusser Damm, kurz nach dem U-Bahnhof SchönleinstraÃe, rief sie von hinten: »Noch ein Bier?«
»Okay!«
Ãber den Hermannplatz auf die HermannstraÃe. Nach einer Weile hielt Matti an. »Hier!«, rief er nach hinten.
Sie bremste quietschend. »Wo?«
Matti deutete zur Kneipe.
» Bäreneck «, las Anja. »Ach, du lieber Himmel. Krass!«
Am Tresen saà der unvermeidliche Typ mit der Eisbärenmütze. Neben ihm eine Frau. Sie sahen aus, als hätten sie in den letzten Jahren allein die Hälfte der Schnapsbestände in der Kneipe vernichtet. Beide hatten Zigaretten in den Händen. Der Eisbärentyp gestikulierte wild und lallte. Aus den Lautsprechern hinter dem Tresen dröhnte Schlagermusik. Die Wirtin hatte sich richtig Mühe gegeben mit ihren Haaren. Auf der Hochsteckfrisur glitzerte es. Sie erkannte Matti wieder und lächelte sogar.
Matti und Anja setzten sich an einen freien runden Tisch am Fenster. Gegenüber blinkte ein Spielautomat.
»Was darfâs denn sein?«, fragte die Wirtin, als sie sich zum Tisch bewegt hatte.
»Zwei Bier, einen Korn«, sagte Matti.
»Trinkst du keinen Korn?«, fragte Anja.
»Zwei Korn!«, rief Matti der Wirtin nach. Die nickte, ohne sich umzudrehen.
»Wie schön, dass du weiÃt, was ich trinke und was nicht«, sagte Anja.
»Wegen des Korns tutâs mir leid«, erwiderte Matti. »Aber wer hier was anderes trinkt als Bier, ist verrückt.«
Sie grinste. »Kronawitter?«
»Ist ein Immobilienhai. Hat er geerbt und noch einiges dazu gekauft. Und ist linker Anwalt.«
»Was es alles gibt. Hat er Ingrid verteidigt?«
»Nein, aber ein befreundeter Anwalt. Die Typen kennen sich untereinander gut. So viele linke Anwälte gibt es nicht mehr. Und Ströbele ist in der Politik.«
»Der radelt hier immer rum.«
Matti nickte.
Die Wirtin trug ein Tablett mit den Getränken heran und stellte sie auf den Tisch. »Zum Wohlsein!«
Matti nahm das Schnapsglas und hielt es vor Anja.
Die stieà mit ihm an und trank es aus.
Er tat es ihr nach und grinste.
»Wann rücken wir dem Kronawitter auf die Pelle?«, fragte sie.
»Am besten gar nicht«, sagte Matti.
»Matti, willst du schon wieder kneifen?«
»Wie bitte?«
»Hast du keine Lust mehr? Oder Angst?«
»Wer sich mit Mördern einlässt und keine Angst hat, ist irre.«
Sie winkte ab, trank einen groÃen Schluck Bier. »Ist ja gut. Aber du darfst dich nicht beherrschen lassen von der Angst.«
»Danke für die Vorlesung«, sagte Matti.
Sie legte ihre Hand auf seinen Unterarm. »Eigentlich finde ich dich ja toll. Die ganze WG finde ich toll.«
»Du bist ein ausgekochtes Miststück«, sagte er.
Sie blickte ihn verdattert an, dann lachte sie. »So kann man es sehen.« Ihre Hand
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