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Ein Mörder kehrt heim

Ein Mörder kehrt heim

Titel: Ein Mörder kehrt heim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ditfurth
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aufeinandergestapelt und mit Zement und Stahl verbunden. Obwohl die Fassaden verschönert worden waren, blieben die Klötze Monstren. Matti stellte sich vor, dass es in Nowosibirsk ähnlich aussehen musste.
    Edeltraut ging nicht, sie watschelte. Um den Hals einen Schal, obwohl es in der Wohnung stickig-warm war. Sie hatte einen Tee gekocht und auch schon Tassen und Gebäck auf den Wohnzimmertisch gestellt. Das Mobiliar war alt und verschlissen. An der Wand hing ein Foto, das eine Steilküste zeigte, vielleicht auf Rügen.
    Â»Dass ich dich mal wiedersehe«, sagte Edeltraut und umarmte Dornröschen.
    Auf der Fahrt hatte Dornröschen erzählt, dass sie Edeltraut beim Studium kennengelernt hatte. Nachdem Ingeborg abgetaucht war. Sie habe sich an Dornröschen gehängt und so von deren Kontaktfreude und Anerkennung profitiert. Als Dornröschens Freundin war man ein bisschen wer. Edeltraut hatte sich durchs Studium gewürgt, aber damals fiel niemand durch, wenn man denn erschien. So hatte auch sie ihr Politologiediplom geschafft. Und dann war sie verschwunden. Nicht nur von der Uni, sondern aus allen Kreisen und Organisationen. Jahre später hatte Dornröschen Edeltraut wiedergetroffen. Sie hatte geheiratet, ihr Mann war Abteilungsleiter bei der Dresdner Bank – »oder war’s die Commerzbank?« –, mit der Revolution jedenfalls war es Essig für Edeltraut. »Sie hatte da sowieso nur mitgemacht, weil es schick war«, sagte Dornröschen, doch blieb ihr Ton auffällig mild. Für andere, die ausgestiegen waren, hatte sie nur Verachtung übrig. Nicht für Edeltraut. »Sie war nie Revolutionärin, da kann ich ihr schlecht vorhalten, dass sie es nicht mehr ist. Logo?«
    Matti hatte grinst, und Dornröschen hatte getan, als boxte sie ihn.
    Sie setzten sich. Edeltraut sagte mit weinerlicher Stimme. »Tut mir leid, dass ihr herkommen musstet, aber …« Sie deutete auf ihren Hals.
    Â»Wie geht’s dir denn?«, fragte Dornröschen.
    Â»So lala.«
    Dornröschen zog eine Mitleidsmiene. »Warum wir gekommen sind: Du kanntest doch Ingeborg …«
    Â»Barth?«
    Â»Genau.«
    Â»O weh«, jammerte Edeltraut.
    Â»Mit wem war die zusammen, bevor sie untertauchte?«
    Edeltraut überlegte. »Klaus … nee, das war nur kurz … dieser Philipp, erinnert ihr euch an den?«
    Matti hatte ihn vergessen. Jetzt entsann er sich. Ein dünner, kleiner Typ, frühe Halbglatze, immer ein bisschen abwesend. Gebildet. Aber einer, der einem nicht in die Augen sah. Der so mitlief. Und der sollte was mit Ingeborg gehabt haben? Das passte nicht.
    Â»Und dann war da noch dieser … ah, Volker hieß er.«
    Â»Warst du damals befreundet mit Ingeborg?«, fragte Matti.
    Â»Nein, eigentlich nicht.« Edeltraut schüttelte den Kopf und guckte traurig. »Aber ich war mit ihr in der ROTZEG am OSI , und da merkte man, mit welchen Leuten die Genossinnen und Genossen herumgezogen sind.« Ihre Eifersucht klang nach.
    Â»Stimmt«, sagte Dornröschen, »davon hast du mir erzählt.«
    Â»Das waren Zeiten«, stöhnte Edeltraut. Sie hob die Arme ein paar Zentimeter und ließ sie auf die Oberschenkel fallen.
    Â»Und was machst du jetzt?«, fragte Dornröschen.
    Matti ärgerte sich, dass sie einen Umweg nahm.
    Â»Ich bin Frührentnerin. Zuletzt hab ich in der Bank gearbeitet, aber …« Wieder die Arme. »Ach«, sagte sie. »Jetzt helf ich manchmal im Buchladen.«
    In der Glasvitrine in der Ecke standen Grimms Märchen und ein paar Romane.
    Twiggy räusperte sich. »Weißt du noch, mit wem Ingeborg zuletzt zusammen war?«
    Edeltrauts Gesicht richtete sich ruckartig auf Twiggy, als würde sie den erst jetzt bemerken. »Volker, der schöne Volker … alle haben ihn angehimmelt.«
    Und sie am allermeisten, dachte Matti.
    Â»Weißt du, was der heute treibt?«, fragte Dornröschen.
    Edeltraut schüttelte den Kopf.
    Â»Wie heißt der mit Nachnamen?«
    Edeltraut kratzte sich auf dem Halstuch. »Irgendwas mit ’ner Frucht. Braunbeere … nee, Rotkirsch.« Sie war stolz, sich an ihn zu erinnern. »Volker Rotkirsch, der konnte gut reden, da gibt es heute keinen mehr, der das so gut kann.« Wieder ein Grund zu jammern.
    Matti erinnerte sich, dass von Volker die Rede gewesen war. Aber was über ihn gesagt wurde, wusste er nicht mehr. »Der muss in Berlin

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