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Ein Mörder kehrt heim

Ein Mörder kehrt heim

Titel: Ein Mörder kehrt heim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ditfurth
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auch als Mielkes Sekretärin einen guten Job gemacht hätte.
    Frau Weber führte die drei durch eine Sicherheitsschleuse zu den Aufzügen. Zwei links, zwei rechts. Sie fuhren hinauf in den sechsten Stock. Frau Weber zeigte auf den Wegweiser zum Lesesaal. »Raum 602«, sagte sie. »In 601 können Sie Ihre Sachen wegschließen. Keine Taschen mitnehmen. Computer, Schreibsachen.« Zack, zack.
    Sie verpackten Taschen und Rucksäcke.
    Â»Die Schuhe auch?«, fragte Dornröschen.
    Frau Weber schüttelte unwillig den Kopf. Dann zog sie mit festem Schritt los, die WG im Schlepptau. Dornröschen knuffte Twiggy in die Seite, der knuffte zurück. Sie gackerten. Matti verdrehte die Augen. Frau Weber legte die wenigen Meter zum Lesesaal im Eiltempo zurück, als wäre sie auf der Flucht. Sie öffnete die Tür. In der gegenüberliegenden Ecke, am Fenster, ein Schreibtisch. Dahinter ein graumelierter Mann in einem karierten kurzarmigen Hemd. Er hatte einen Stift in der Hand und las. Er blickte auf. Frau Weber gab ihm drei Zettel, die Besucherausweise, die der Mann in einen Karteikasten steckte. Er schaute in eine Tabelle und sagte leise: »Tisch 18.«
    Der stand in der ersten Reihe, drei Stapel Akten warteten bereits. Frau Weber zeigte zum Tisch. »Wenn Sie Fragen haben, sagen Sie dem Kollegen Bescheid. Er ruft mich dann an.« Weg war sie.
    Matti entdeckte im Raum drei Frauen und zwei Männer, die sich in ihre Akten verbissen hatten.
    Dornröschen und Matti setzten sich an den Tisch 18, Twiggy nahm den daneben. Jeder griff sich eine Akte. Sie blätterten.
    Nach einer knappen halben Stunde stöhnte Dornröschen. »Die wussten ja so viel wie unsere Bullen.«
    Â»Oder mehr«, sagte Matti. »Ich hab hier einen IM in Düsseldorf, am Gericht.«
    Â»Und der hier muss im BKA gespitzelt haben«, sagte Twiggy.
    Â»Und ich hab die Korrespondenz der Anwälte untereinander und die mit den Gefangenen.« Matti las, wie ein westdeutscher Anwalt einen prominenten Ostberliner Anwalt als Vertreter für ein Ehrengerichtsverfahren gewinnen wollte.
    Nach einer Weile sagte Twiggy: »Jede Ein- und Ausreise über die Transitwege wurde erfasst.«
    Â»Es gibt für jeden Genossen eine Akte. Und gesammelt wurde das alles unter Operativer Vorgang Stern , hübscher Name. Und von den Sternen gab es die Nummer römisch eins und römisch zwei. Alles musste seine Ordnung haben.«
    Â»Was bedeutet, dass die Stasi Spitzel in der Szene hatte«, sagte Dornröschen.
    Â»Hier hab ich was zu Ingeborg, Anjas Mutter, sofern man unterstellt, dass sie es wirklich ist.« Matti hörte sein Herz pochen. Wie schnell es ging. Kaum hatten sie ein paar Akten aufgeschlagen, trafen sie schon Ingeborg Barth. »Also, sie hatte noch ein paar Vornamen mehr, einer hässlicher als der andere. Dann ist hier festgehalten, dass sie zuletzt in der Manteuffelstraße gewohnt hat.« Er blätterte weiter. »Kindergärtnerin und Sekretärin war sie.« Weiter. »Jetzt kommt die Politbiografie. Schwarze Hilfe Westberlin, Tupamaros Westberlin, Rote-Armee-Fraktion.«
    Â»Ein steiler Aufstieg zu höchsten Bewusstseinsstadien«, ätzte Twiggy.
    Â»Das böse Mädchen soll Originalpässe geklaut haben«, sagte Matti. Er hob den Finger: »Und ein Banküberfall in Kaiserslautern.«
    Â»Hat es da schon Banken gegeben in Kaiserslautern?«, fragte Twiggy.
    Â»Pst!«, zischte es von hinten.
    Â»Und dann kannte sie einen Typen in der DDR . Irgendein entfernter Verwandter, der sich dank dieses genetischen Zufalls offenbar der Fürsorge der Stasi sicher sein durfte. Dabei hat sie bestimmt nie versucht, Kontakt zu dem aufzunehmen.« Matti blätterte um. »Und dann gibt es hier noch die Einschätzung, dass Ingeborg ein einfaches RAF -Mitglied gewesen sei, also nicht zur Führung gehört habe. Das bewahrte sie aber nicht vor dem grausligen Schicksal, dass der große Bruder, der böse KGB , sie als Terroristin führte und sie Einreisverbot in die Sowjetunion hatte.«
    Â»Aber nicht in die DDR . Da scheinen die Genossen eigene Wege gegangen zu sein.«
    Â»Ts, ts, ts«, sagte Twiggy.
    Der Typ hinterm Schreibtisch warf einen traurigen Blick zu Tisch 18. Dann stand er auf, rieb sich die Hände, als wollte er sie waschen, und marschierte zur WG . Er beugte sich zu Dornröschen, die er womöglich für die Einzige hielt, die nicht

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