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Ein Mörder kehrt heim

Ein Mörder kehrt heim

Titel: Ein Mörder kehrt heim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ditfurth
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bissig war oder wenigstens rationalen Argumenten zugänglich sein könnte. »Das ist ein Lesesaal. Es gibt dafür eine Ordnung. Die sieht vor, dass Sie sich bitte leise verhalten und die anderen Benutzer nicht stören.« Er seufzte leise, strich sich die Haare glatt und trottete zurück zu seinem Schreibtisch.
    Die drei guckten sich an und legten den Zeigefinger auf die Lippen. Twiggy musste sich besonders beherrschen, nicht loszulachen. Matti kam sich vor wie ein Schuljunge.
    Twiggy tippte auf eine Seite und schob die Akte zu Matti und Dornröschen. Ein Zeitungsbericht von 1977. Die alte Baader-Geschichte. Aber dazugeheftet der Hinweis, die Hauptabteilung XXII habe ermittelt, dass dieses Gerücht nicht zutreffe. Auch die westdeutschen Ermittlungsbehörden seien Hinweisen auf einen Mord an Ingeborg nachgegangen. Sie hätten sogar ein Waldstück umgegraben, weil dort ihre Leiche vergraben sein sollte. Doch hätten sie nichts gefunden. Die Behauptung beruhe auf den Aussagen eines gefassten RAF -Mitglieds. Dem sei aber ohnehin mehr Fantasie als Wahrheitsliebe bescheinigt worden.
    Sie studierten weiter die Seiten des Aktenbergs. Fast eine Stunde lang lasen und schwiegen sie. Dann stieß Twiggy Matti an und tippte wieder auf eine Seite. Offenbar hatte Twiggy seinen Ostereiertag.
    Am 7. März 1978 reiste der in der Fahndungsliste 54/78 gesuchte Theobald Wild an der GÜST Drewitz-Marienborn auf dem Transitweg in die Deutsche Demokratische Republik ein. Er war im Besitz eines gefälschten BRD -Personalausweises auf den Namen Manfred Schmitt. Er wurde von den Grenzorganen nach dem § 98 St GB in Verbindung mit § 108 St GB vorläufig festgenommen und dem MfS zur Klärung überstellt. Wild war nach Bekanntgabe der gegen ihn vorliegenden Beschuldigungen bald zur Aussage bereit. Er verspricht sich dadurch, einer Haftstrafe in der DDR zu entgehen.
    Â»Auf gut Deutsch: Er hat ausgepackt gegenüber den Genossen«, flüsterte Matti.
    Er blätterte im Schnelldurchgang durch die Seiten. »Er hat alles erzählt. Namen, Adressen, Aktionen. Da haben sich ab neunundachtzig bestimmt ein paar gewundert, was der Staatsanwalt so alles erzählen konnte.«
    Weiter, Seite um Seite. »Aha«, sagte er und las leise vor:
    Georg Westreich kommt von den Tupamaros Westberlin, hat auch eine Zeit lang bei den sog. umherschweifenden Haschrebellen mitgemacht und gehört vermutlich seit 1979/80 zur Führung der RAF. Er gilt als ultraradikal, drängt stets auf Aktionen, bei denen dem Feind größtmögliche Verluste beigebracht werden. Er liegt deshalb häufig im Streit mit anderen Genossen, die er als feig kritisiert. Seit Westreich in der Führungsebene angekommen sei, habe sich der Ton in der Gruppe verschärft.
    Â»Wer hat das erfasst?«, fragte Dornröschen.
    Matti blätterte und fand: »Ein Hauptmann L. Fendt, Abteilung XXII / AKG , was immer das heißt. Kürzel: fe .«
    Â»Hm«, sagte Twiggy.
    Matti las weiter. »Wenn das BKA diese Aussage bekommen hätte, dann gute Nacht. Wild hat sie alle verpfiffen.« Er schlug die Seite um. »Hier ist die schöne Ingeborg.«
    Ingeborg Barth stammt von der Schwarzen Hilfe Westberlin. Sie war ein paar Monate mit G. Westreich liiert, hat sich aber von ihm distanziert, weil sie Westreich zu fanatisch fand. Th. Wild erklärt, er habe selbst gehört, dass I. Barth den Westreich als »Abenteurer« kritisiert hat. Wenn man Westreichs Vorschlägen folge, wäre der Untergang der revolutionären Kräfte in Westdeutschland und in Westberlin nur eine Frage der Zeit. Angeblich soll sie sogar gemutmaßt haben, dass Westreich ein von Behörden im Operationsgebiet bezahlter Provokateur sei. Th. Wild erklärt aber, dies vom Hörensagen zu wissen und keine eigenen Erkenntnisse zu besitzen. Unsere Dienststelle besitzt ebenfalls keine Erkenntnisse, die diese Sichtweise stützen. Sicher scheint aber zu sein, dass die Barth Originalpässe für terroristische Gruppen beschaffte.
    Â»Unterschrieben hat wieder unser Freund Fendt. Ah, Leo heißt er.«
    Zur Mittagszeit verließen sie die Stasi-Behörde. Es war draußen laut, heiß und stickig. Touristen mit Stadtplänen und Kameras strömten über die Bürgersteige. Busse rollten in beide Richtungen, darunter ein Doppelstockbus mit Aussichtsplattform ohne Dach. Gegenüber lagen zwei Hotels und ein riesiger Biergarten. Überall

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