Ein mörderischer Sommer
läßt den Knopf der Sprechanlage los und starrt auf den Boden. Was will er? Was gibt es jetzt noch zu sagen? Sie geht zur Tür, aber plötzlich bleibt sie stehen. Warum hat er nicht mit Lieutenant Fox gesprochen, wie er es angekündigt hatte?
Sein massiger Körper füllt die Tür fast ganz aus.
»Ich bringe dir deine Pie-Form zurück«, sagt er und gibt sie ihr. »Ich habe sie abgewaschen.«
»Danke.«
»Kann ich reinkommen?«
»Findest du es gut, wenn Eve jetzt allein ist?«
»Eve hat sich im Badezimmer eingesperrt.«
»Glaubst du, sie wird sich etwas antun?«
Brian bekommt fast einen Lachkrampf. »Spinnst du? Das tut die nur über unsere Leichen.« Er bemerkt Joannes Bestürzung. »Bitte, Joanne, kann ich reinkommen?«
Joanne weicht zurück, damit er eintreten kann. Er schließt die Tür hinter sich und folgt ihr in die Küche. »Möchtest du Kaffee?« fragt Joanne. Sie hofft, er wird nein sagen.
Er schüttelt den Kopf. »Ich werde auch ohne Kaffee die ganze Nacht wach bleiben.« Er starrt durch die gläserne Schiebetür hinaus in die Nacht. »Noch nie zuvor habe ich eine Frau geschlagen«, sagt er nach einer Weile. Joanne erwidert nichts. »Ich weiß nicht, wie das geschehen konnte«, fährt er fort. Joannes Anwesenheit nimmt er gar nicht mehr richtig wahr. »Bei mir hat es einfach ein paar Minuten lang ausgesetzt. Ich habe immer wieder diese fremde Stimme gehört, die entsetzliche Dinge sagte, und da ist irgend etwas in mir ausgerastet … Ich wollte sie nicht schlagen, Joanne, ich weiß nicht, wie das geschehen konnte.«
»Was soll ich sagen?« fragt Joanne. »Ich weiß nicht, was ich dazu sagen soll.«
»Vielleicht soll ich tun, was Eve sagt. Vielleicht soll ich abhauen.«
»Das kannst du nicht machen!«
»Ich kann sie doch nicht jedesmal schlagen, wenn sie ausflippt.«
»Nein, das kannst du nicht. Aber du kannst sie auch nicht verlassen. Was soll sie denn dann tun? Wie soll sie dann zurechtkommen?«
»Ihre Mutter würde zurückkommen.«
»Glaubst du, daß das gut wäre?«
»Ich weiß nicht. Aber ich weiß, daß ich das nicht mehr lange aushalte. Ich sage dir ganz ehrlich: Ich bin zur Zeit selbst nahe daran, auszuflippen. Ich meine, gerade habe ich meine Frau geschlagen! Ich hätte sie vielleicht umgebracht, wenn du nicht dagewesen wärst!« Er lacht. »Wem mache ich hier eigentlich was vor? Sie hätte mich vielleicht umgebracht.«
»Vielleicht ist es besser, wenn sie diese Totaloperation durchführen läßt«, sagt Joanne.
»Was? Wieso denn?«
»Vielleicht braucht sie es.«
»Kein Mensch braucht eine unnötige Operation.«
»Vielleicht kannst du sie, wenn sie erst mal im Krankenhaus ist, dazu überreden, mit dem Psychiater dort zu sprechen … Und wenn tatsächlich die Fehlgeburt die Ursache ihrer Ängste ist, nun ja, vielleicht verschwinden alle anderen Probleme auch, wenn erst einmal der Körperbereich ihres Hauptproblems beseitigt ist.«
»Das bedeutet, ein sehr großes Risiko einzugehen, findest du nicht?«
»Ich weiß nicht, was ich finden soll.«
»Vielleicht trinke ich jetzt doch einen Kaffee, wenn es dir nichts ausmacht«, sagt Brian. Joanne geht zur Kaffeemaschine. Sie hofft, daß ihr Gesicht nicht den Ärger ausdrückt, den sie über diese Bitte empfindet.
Wieso will er jetzt Kaffee? Er hat doch schon zwei Tassen getrunken, als sie den Pie aßen. Warum ist er hierhergekommen? Warum geht er nicht nach Hause? Sie macht sich Sorgen um Eve, um alle macht sie sich Sorgen. Wie leicht man die Kontrolle verlieren kann, denkt sie. Wie wenig Kontrolle wir im Grunde über uns haben.
»Hast du Paul in letzter Zeit gesehen?« fragt Brian, als sie ihm einen Becher Kaffee an den Tisch bringt.
»Letztes Wochenende«, antwortet sie leise, mit gesenktem Blick. »Wir haben die Mädchen im Ferienlager besucht.«
»Das klingt ja vielversprechend.«
Joanne schweigt.
»Irgendein Fortschritt?«
»Eigentlich nicht.« Sie will darüber nicht reden. Sie will, daß er schnell seinen Kaffee austrinkt und heimgeht.
»Ich kann es nicht fassen, daß Paul so idiotisch war, dich zu verlassen«, sagt Brian. »Hast du einen neuen Freund?«
Joanne starrt ihn verwundert an. So gesprächig hat sie Brian noch nie erlebt. Worauf will er hinaus? »Nein«, sagt sie hastig.
»Was ist mit dem Tennislehrer?«
»Was soll mit ihm sein?«
»Ich dachte …«
»Er war einmal zum Abendessen hier«, antwortet Joanne gereizt. »Er ist früh heimgegangen.«
»Nicht aus eigenem Entschluß, nehme ich
Weitere Kostenlose Bücher