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Ein mörderischer Sommer

Titel: Ein mörderischer Sommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fielding Joy
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Stimme erkennen, egal, wie gut sie sich verstellt. Du hast doch einen Apparat im Schlafzimmer«, fährt er fort, bevor Joanne überhaupt antworten konnte, und ist schon auf der Treppe. »Warte noch. Laß es noch dreimal klingeln. Heb nach dem dritten Klingeln von jetzt an ab.«
    Das Telefon klingelt weiter. Joanne hört Brians Schritte über sich. Nach dem vierten Klingeln streckt sie langsam den Arm aus, nimmt den Hörer ab und hört sich wie in Trance die Mitteilung der Stimme am anderen Ende der Leitung an.
    Sofort ist Brian wieder bei ihr in der Küche. »Es tut mir so leid, Joanne«, sagt er mit einer hilflosen Geste.
    »Früher oder später mußte es passieren«, erwidert Joanne. »Er war vierundneunzig.«

27
    Joannes Blick irrt über die kleine Trauergemeinde. Sie selbst mitgerechnet sind sechs Personen im Raum. Ihr Bruder Warren und seine Frau Gloria sind vor zwei Tagen von Kalifornien hergeflogen und sitzen jetzt mit gefalteten Händen neben ihr. Direkt hinter ihr ist ihr Chef, Dr. Ronald Gold. Auf der anderen Seite der kleinen Kapelle sitzen Joannes Mann Paul und Eves Mutter. Eve ist nicht da; sie ist zu krank. Brian hat zuviel zu tun. Joanne war überrascht, als sie Eves Mutter sah; jetzt ist sie ihr dankbar. Sie lächelt der alten Frau zu. Paul lächelt zurück.
    Die Mädchen sind nicht da. Joanne fand, es sei sinnlos, sie aus dem Lager zu holen, obwohl Paul sich erboten hatte, hinzufahren. Sie klammert sich nicht an die Kinder, merkt sie, und sie ist stolz auf ihre Entscheidung. Sie ist praktisch. Und, bis zu einem gewissen Grad, egoistisch. In diesen Tagen will sie weder, noch benötigt sie die Verantwortung für zwei Mäuler, die gefüttert sein wollen, für zwei Menschen, die Zuwendung brauchen. Sie will jetzt nur an sich denken, keine Stimme außer ihrer eigenen hören. Sie will allein sein, und sie ist seltsam froh darüber, daß ihr Bruder und ihre Schwägerin kurz nach dem Begräbnis wieder heimfliegen werden. Sie fühlt sich wohl in ihrer Einsamkeit. Wenigstens weiß sie, was sie erwartet.
    Gloria drückt Joannes Hand. »Das ist das Traurige daran, wenn man so lange lebt«, sagt sie leise, »man überlebt alle seine Freunde. Und den größten Teil der Familie«, fügt sie hinzu und lehnt den Kopf an Joannes Schulter.
    Joanne nickt. Sie hatte vergessen, wie hübsch Gloria ist. Ein typisches California girl , blondes Haar, braungebrannt, jünger als fünfunddreißig aussehend. Nur ihre Stimme klingt alt, guttural, fast männlich, was Gloria in ihrer Arbeit für Radio- und Fernseh-Werbespots zugute kommt. Gloria hat einmal zugegeben, daß sie, wie die meisten ihrer Freundinnen, nichts anderes im Leben wollte, als Schauspielerin zu sein und einen Arzt zu heiraten. Anders als die meisten ihrer Freundinnen gelang es ihr jedoch, in den Randbezirken des Showbusineß Karriere zu machen, und ihre Ehe hat sich als dauerhaft und auch erfolgreich erwiesen. Ihre Töchter sind gesund, schön und liegen ganz im Trend: Sie wollen Fotomodelle werden und Rockstars heiraten. Als Kalifornierinnen erwarten sie, alles zu bekommen, was sie wollen. Und wahrscheinlich werden sie es auch bekommen, denkt Joanne.
    »Es ist so schwer zu fassen, daß er wirklich tot ist«, sagt Warren und starrt auf den offenen Sarg, der im vorderen Teil der Kapelle steht. »Ich habe immer geglaubt, er wird ewig leben. Er sieht so klein aus. Er war immer eine mächtige Gestalt. Ich weiß nicht, ob du dich an ihn erinnern kannst, Gloria …«
    »Wie könnte ich ihn vergessen haben?« Glorias heisere Stimme erfüllt den ganzen Raum. »Er machte die Honneurs bei unserer Hochzeit. Als er mich als deine ›Geliebte‹ vorstellte, dachte ich, meine Eltern würden auf der Stelle tot umfallen.«
    »Ich glaube, da hatte er schon einiges intus«, kichert Joanne.
    »Und dann konnte er sich meinen Namen nicht merken. Er nannte mich andauernd Glynis.«
    »Der Name Glynis hat ihm immer schon gefallen«, bemerkt Warren, und plötzlich fangen Warren und Joanne an zu lachen.
    »Euer Großvater hat immer das gesagt, was er dachte«, sagt Eves Mutter zu Joanne und setzt sich neben Ron Gold. »Eines Nachts rief ich bei euch an, um zu fragen, wo Eve ist. Ich unterbrach euch bei einem großen Familienessen, und dein Großvater, der an den Apparat kam, sagte zu mir, ich soll mich um meine eigenen Angelegenheiten kümmern. Ich sagte, Eve ist meine eigene Angelegenheit, und da sagte er: ›Ganz recht, aber sie ist nicht unsere Angelegenheit, und sie ist nicht da.‹

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