Ein mörderischer Sommer
fürchte ich.« Für heute harte sie genug von Gesprächen beim Kaffeetrinken. »Ich bin schon ziemlich spät dran.«
»Na klar«, sagte er locker und ging mit ihr in Richtung Ausgang. »Was ist denn mit Ihrer Freundin, dem Rotschopf, los …«
»Eve?«
»Ja, Eve, die mit der schwachen Vorhand und dem verruchten Lachen.« Joanne lächelte zustimmend. Eves Lachen war tatsächlich verrucht, so als ob sie etwas wüßte, was dem Rest der Welt verschlossen blieb, sich vielleicht aber doch dazu überreden ließe, es zu verraten. »Werden wir sie denn hier mal wieder sehen?«
»Oh, ich bin überzeugt, sie nimmt den Unterricht wieder auf, sobald sie sich besser fühlt.«
»Hoffentlich«, sagte er. »Allerdings wird sie viel tun müssen, um mit Ihnen gleichzuziehen.«
»Das glaube ich nicht.«
»Wer ist hier der Lehrer?«
Joanne versuchte, sein Lächeln zu erwidern, aber irgend etwas an Steve Henrys blondem Haar, an seinem so lässig wirkenden guten Aussehen war ihr unbehaglich.
»Sie haben heute einige sehr schöne Bälle gespielt«, fuhr er fort. »Ich habe Sie über den ganzen Platz gejagt, und Sie haben alle erreicht.«
»Und sie direkt ins Netz befördert.«
»Sie ziehen immer noch nicht voll durch. Aber ich weiß nicht, ich habe heute nachmittag bei Ihnen eine neue Aggressivität gespürt.« Joanne mußte lachen. »Na, Sie wissen offensichtlich, was ich meine, oder?«
»Schauen Sie mal meine Zehen an«, jammerte Joanne. Sie wußte nicht, was sie sonst sagen sollte. Sie blickte hinunter zu den blauangelaufenen Nägeln ihrer großen Zehen, die unter den Lederstreifen der Sandalen herausschauten. »Sie sehen aus, als ob sie jeden Augenblick abfallen würden.«
»Sie werden die Nägel wahrscheinlich wirklich verlieren«, erklärte er ihr in nüchternem Ton. »Ihre Schuhe sind zu klein. Beim Tennisspielen braucht man eine halbe Nummer größere Schuhe. Ihre Zehen drängen in den Schuhen immer nach oben, weil sie keinen Platz haben, sich zu bewegen.«
»Es ist ein so schönes Blau.« Sie lächelte, als sie die Tür erreicht hatten.
»Wie Ihre Augen«, sagte er.
Oh, dachte Joanne, sofort überrascht und sprachlos, wir reden also doch nicht über Tennis.
15
»Ja, und was hast du dann gesagt?«
»Wie meinst du das? Gar nichts habe ich gesagt.«
»Joanne, um Gottes willen!« rief Eve ungeduldig. »Der gute Mann wollte ganz offensichtlich mit dir flirten. Er sagt dir, deine Zehennägel haben dieselbe Farbe wie deine Augen …« Plötzlich brachen beide Frauen in lautes Lachen aus. »Gut, gut, es ist nicht gerade das Romantischste, was er hätte sagen können, aber irgendwie ist es süß.«
»Meine Augen sind nicht blau, sie sind haselnußbraun.«
»Du bist vielleicht mäklig! Darum geht es doch gar nicht. Es geht darum, daß er dir gesagt hat, daß du schöne Augen hast. Wann hat dir das letztemal jemand so etwas gesagt?« Joanne lächelte in Erinnerung daran, daß sie sich dieselbe Frage vor nicht allzulanger Zeit selbst gestellt hatte. »Es geht darum«, sprach Eve weiter, »daß er offensichtlich an dir interessiert ist.«
»An mir«, stellte Joanne fest, aber es sollte zweifellos eine Frage sein.
»Warum nicht an dir?« wollte Eve wissen. Die beiden Frauen standen neben dem Herd in Eves Küche und betrachteten das Essen, das Eve gekocht hatte. »Werde ein bißchen lockerer, laß dir ein paar blonde Strähnchen ins Haar machen, dann bist du eine wunderschöne Frau!«
»Ich glaube, diese vielen Röntgenstrahlen haben dein Gehirn angegriffen«, meinte Joanne neckisch; im Grunde war sie dankbar für das Kompliment.
»Du bist hier die Verrückte, wenn du den Vorteil von Steve Henrys Angebot nicht annimmst.«
»Und der wäre?«
»Einer der hübschesten neunundzwanzigjährigen Körper, die ich je gesehen habe. Los, Joanne, wenn schon sonst aus keinem Grund, tu es für mich!«
Joanne lachte. »Ich kann nicht.«
»Warum denn nicht, verdammt noch mal?«
»Weil ich eine verheiratete Frau bin.«
Es entstand eine lange Pause. Dann begann Eve wieder zu sprechen. »Glaubst du, Paul sitzt nachts zu Hause und erzählt jeder, daß er ein verheirateter Mann ist?«
»Was meinst du damit?« Fast schon bevor die Frage ausgesprochen war, tat es Joanne leid, daß sie sie gestellt hatte.
»Schau, ich sage ja nicht, daß es etwas Ernstes ist …«
»Was soll das denn heißen?«
»Ich weiß nichts Genaues.« Eve versuchte, einen Rückzieher zu machen.
»Was hast du gehört?«
»Ein paar Leute haben ihn
Weitere Kostenlose Bücher