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Ein mörderischer Sommer

Titel: Ein mörderischer Sommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fielding Joy
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Decke. »Es gefällt mir hier im Lager«, sagt sie mit einem kaum erkennbaren Kopfnicken. Sie starrt immer noch in dieselbe Richtung, sorgfältig darauf bedacht, dem Blick ihrer Mutter auszuweichen. »Es war gut, daß ich hierhergefahren bin. Ihr hattet recht. Nicht nur mit dem Ferienlager …«
    Soll ich sie jetzt in die Arme nehmen? überlegt Joanne. Sie würde es gerne tun, aber sie fürchtet sich davor. Sie ist mein Kind, denkt sie, und ich habe Angst, meinen Arm um sie zu legen, habe Angst, ihre Zeichen nicht richtig zu deuten.
    »Joanne!« Die Stimme kommt von irgendwo über ihr.
    Joanne führt die Hand an die Stirn, beschattet die Augen, sieht, daß sich am Himmel Wolken angesammelt haben. »Hab' ich mir doch gedacht, daß du es bist!« sagt eine Frau, die neben ihr steht. »Ellie«, sagt die Frau, »Ellie Carlson. Wahrscheinlich erkennen Sie mich deshalb nicht, weil ich so stark abgenommen habe«, fügt sie hoffnungsvoll hinzu.
    »Mein Gott, ja, Sie haben recht«, bestätigt Joanne und erhebt sich. »Sie müssen ja fünfzig Pfund abgenommen haben!«
    »Sechzig«, sagt Ellie Carlson stolz. »Danach bin ich ins Krankenhaus gegangen und habe mir den Bauch liften lassen«, flüstert sie ihr zu.
    »Sie sehen ja wunderbar aus!« Joanne hat keine Ahnung, was sie sonst sagen soll. Sie weiß nichts über diese Frau, außer daß Robin und Lulu und Ellie Carlsons Töchter früher einmal während eines Sommerlagers in denselben Stockbetten schliefen. »Wie viele von Ihren Kindern sind denn jetzt hier?« fragt sie, weil ihr absolut nichts anderes einfällt.
    »Nur eins, meine Kleinste.« Ellie Carlson zieht die Stirn in Falten. »Mit den beiden älteren Mädchen haben wir zur Zeit Sorgen«, vertraut sie Joanne an. »Sie wollten heuer nicht ins Lager. Sie lungern in unserem Einkaufszentrum herum, tragen alte Kleider von der Heilsarmee, und die Köpfe haben sie sich rasiert! Offensichtlich sehnen sie sich nach dem einzigen, was wir ihnen nicht bieten können.«
    »Was denn?«
    »Armut.«
    Joanne lacht laut auf. Die Frau klopft ihr zum Abschied auf die Schulter und geht zu den Tischen mit den Hamburgern.
    »Ist das die Mutter von Carol Carlson?« fragt Robin ungläubig, als Joanne sich wieder neben sie setzt.
    »Sie hat sechzig Pfund abgenommen und sich den Bauch liften lassen«, erzählt Joanne. Sie ist kurz davor, laut loszuprusten. »Ich überlege mir manchmal, was mit diesen Frauen, die sich straffen lassen, wohl passiert, wenn sie wieder zunehmen. Was meinst du, explodieren die dann?«
    »Mom!« Robin ist ganz entsetzt, aber dann beginnt sie zu lachen. »Das ist ja wirklich grauslig!«
    Von irgendwoher dringt lauter Lärm zu ihnen, ein knallender Auspuff vielleicht oder ein Luftballon, der gerade zerplatzt. »Hör mal«, quiekt Joanne, »jetzt zerreißt es gerade eine!«
    »Mom!«
    »Was ist denn hier los?« fragt Paul, während Lulu und er sich wieder auf der Decke niederlassen. Sie wollen mitlachen, sie spüren, daß sich irgend etwas geändert hat.
    »Ich glaube, Mom ist zu lange in der Sonne gewesen«, meint Robin, aber es klingt nicht spöttisch, sondern liebevoll. Joanne lehnt sich vornüber und nimmt Robins Hand. Robin zieht sie nicht zurück.
    »Nun, was meinst du?« fragt er, nachdem sie tränenreich Abschied von ihren Töchtern genommen haben.
    Joanne wischt sich die letzten Tränen aus den Augen und lächelt. »Ich finde, es ist prima gelaufen.«
    »Finde ich auch. Robin scheint sich wieder gefangen zu haben.«
    »Sie hat mir erzählt, daß es ihr in der ersten Woche sehr schlecht ging, sie hatte sich einfach vorgenommen, keinen Spaß zu haben, aber sie waren alle so lieb zu ihr, und es gab so viel zu tun, da konnte sie gar nicht anders, als Spaß zu haben. Und dann hat sie da ja diesen Jungen kennengelernt, Ron – komisch, daß er Ron heißt«, fügt sie hinzu. Sie sieht, wie Paul zusammenzuckt. »Der hatte bestimmt etwas mit ihrem Stimmungsumschwung zu tun.«
    »Ich habe nie verstanden, welchen Sinn ein reines Mädchencamp hat, wenn daneben ein reines Jungenlager liegt«, sagt Paul und schaltet die Scheibenwischer ein.
    »Gut, daß es erst jetzt regnet.«
    »Die Heimfahrt wird schlimm werden«, erklärt er. »Wir fahren direkt in einen Sturm hinein.«
    »Hast du Hunger?« fragt sie ihn einige Minuten später. Der Regen trommelt gegen die Windschutzscheibe.
    »Eigentlich nicht«, antwortet Paul. »Ich habe zum Mittagessen drei Hamburger verdrückt.«
    »Ich finde, wir könnten doch in einem dieser Motels

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