Ein mörderisches Komplott (German Edition)
Haftprüfungstermin hatte man auf Punkt neun Uhr festgesetzt. Es
würde genügend Zeugen geben, die ihn des Mordes, der Anstiftung und Beihilfe
zum Mord sowie des zweifachen Kidnappings bezichtigten. Falls man ihn bereits
jetzt ins Kreuzverhör nehmen würde, wollte er alle Anschuldigungen entkräften.
Zum gegenwärtigen Zeitpunkt brauchte er noch keinen Verteidiger; als ehemaliger
Staatsanwalt würde er sich ganz gut zu helfen wissen. Sollte aber der
Haftrichter von seiner Schuld überzeugt sein, würde man ihn weiterhin in
Untersuchungshaft behalten und alles für die Hauptverhandlung vor dem High
Court vorbereiten. Und was ihn dort erwartete, war ihm hinreichend
bekannt. War er selber doch mit Kriminellen stets hart umgesprungen und hatte
oft genug für die Verhängung der Höchststrafe plädiert. Wäre in Großbritannien
nicht längst die Todesstrafe abgeschafft worden, würde man ihn wohl zum Tod
durch den Strang verurteilen. Ob allerdings eine lebenslängliche Haft die
angenehmere Lösung war, bezweifelte er, denn wegen der Schwere seiner Taten
bestand kaum Hoffnung auf eine vorzeitige Entlassung.
Aber er glaubte fest an einen Ausweg. Schließlich hatte
er an unzähligen Strafprozessen teilgenommen und die Raffinesse der Verteidiger
bewundert, mit der sie für ihre Mandanten einen Freispruch oder zumindest eine
zeitlich begrenzte Strafe herausholten. Nein, eine lebenslange Haft kam für ihn
nicht infrage, jedenfalls wollte er sich nicht kampflos in ein so grauenvolles
Schicksal fügen. Um Ausreden würde er also nicht verlegen sein und jede ihm
angelastete Straftat ad absurdum führen.
Die Haftprüfung fand im Sitzungssaal N° 2 des CID Inverness
statt. Die Justiz war wie im Fall Jörgensson durch den Haftrichter Justin
Murphy und Oberstaatsanwalt Jim Collins vertreten. Als Vertreter der
Kriminalpolizei fungierte DCI Paul O’Brien, begleitet von DS Edward Hastings.
Alle waren übereingekommen, den Untersuchungsgefangenen bereits jetzt ins
Kreuzverhör zu nehmen und durch wechselnde Fragestellungen zu verwirren. Zuvor
hatte O’Brien seinen Assistenten angewiesen, sich im Hintergrund zu halten und
mit der Beobachterrolle zufriedenzugeben.
Jetzt warteten alle auf Henry Forster, der pünktlich von
zwei Polizeibeamten hereingeführt wurde. Als er sich setzte und man ihm die
Handschellen abnahm, richtete Haftrichter Murphy das Wort an ihn:
»Mr Forster, in Ihrer Eigenschaft als Jurist ist Ihnen
das heutige Prozedere bestens vertraut. Es geht also um die Frage, ob die über
Sie verhängte Untersuchungshaft aufgehoben oder verlängert wird. Sie haben –
wie ich sehe – auf die Bestellung eines Verteidigers verzichtet, ist das
richtig?«
Henry Forster sah in die Runde und bemerkte zu seinem
Bedauern, dass ihm außer Chief Inspector Paul O’Brien keine der sonst noch
anwesenden Personen bekannt war.
»Gewiss, Sir! Da Sie mich ohnehin nach dieser
Verhandlung entlassen werden, möchte ich dem Staat einen Verteidiger ersparen.«
Der Richter schmunzelte.
»Nun gut, Sie scheinen sich Ihrer Sache ja sehr sicher
zu sein. Allerdings bin ich da etwas anderer Meinung. Übrigens wurden Sie
aufgrund der Beweislage vorläufig von Ihrem Amt als Staatsanwalt suspendiert.
Das ist Ihnen doch hoffentlich klar – oder?«
Forster nickte nur, konnte sich jedoch ein heimliches
Grinsen nicht verkneifen.
Richter Murphy fuhr dann fort:
»Ich möchte nun Herrn Oberstaatsanwalt Collins bitten,
die Gründe darzulegen, weshalb Mr Henry Forster in Untersuchungshaft genommen
wurde.«
Collins zupfte seine Krawatte zurecht und schaute
Forster tadelnd an:
»Mr Forster, Ihre Festnahme erfolgte, nachdem Sie Miss
Jennifer Symon auf brutale Weise gekidnappt hatten und damit drohten, sie zu
erschießen. Was wollten Sie mit dieser Geiselnahme erreichen?«
»Also, Herr Kollege ...«
Weiter kam er nicht, denn Mr Collins fiel ihm ins Wort:
»Bitte fangen Sie nicht damit an! Wir sind keine
Kollegen mehr! Unterlassen Sie bitte diese plumpen Anbiederungsversuche!«
»Okay, okay, Mr Collins. Jawohl, ich hatte eine
Riesendummheit begangen. Ich suchte nämlich in der Wohnung meines verstorbenen
Freundes Gordon Bayne nach einem Autoatlas, den er sich von mir einmal
ausgeliehen hatte. Plötzlich bemerkte ich, dass sich jemand am Türschloss zu
schaffen machte und versteckte mich hinter der Tür. Als dann ein Mann im
Dunkeln vor mir stand, bekam ich es mit der Angst
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