Ein Moment fürs Leben. Roman
direkt anschaute. »Glaub mir, wenn mir etwas wichtig ist, dann ist es auch für dich wichtig. Schau mal.« Er deutete auf sein Kinn.
»Igitt.«
»Ist er groß?«
Auf seinem Kinn war ein riesiger Pickel.
»Gigantisch«, antwortete ich. »Hast du den, weil der Teppichmann sich nicht gemeldet hat?«
»Nein, den habe ich, weil du nichts getan hast, um ihn dazu zu bringen, dass er sich meldet.«
»Na klar, es ist mal wieder meine Schuld.«
Graham hatte seine Arbeit unterbrochen und betrachtete unseren Austausch amüsiert, aber plötzlich öffnete sich Ednas Tür, und wir blickten alle auf. Sie starrte erst mich und dann Quentin an. »Quentin, könnte ich Sie bitte mal sprechen?«
»Selbstverständlich.« Quentin stand auf, zog seine braune Hose wie üblich über den Bierbauch hoch, schob die Brille auf die Nasenwurzel, strich die Krawatte glatt und machte sich auf den Weg in Ednas Büro. Dass er dabei keinen von uns ansah, machte die Sache noch schlimmer. Sobald die Tür sich hinter ihm geschlossen hatte, sprang ich auf. »O mein Gott, das glaube ich nicht!«, sagte ich zu den anderen.
»Was denn?« Mary sah mich besorgt an.
»Sie hat ihn zu sich reingerufen.« Ich schaute sie mit bedeutsam aufgerissenen Augen an und deutete fahrig auf die Tür, die sich gerade hinter Quentin geschlossen hatte.
»Ja, und?«, fragte Louise.
»Was? Ihr findet das normal?«, fragte ich verdutzt. Normalerweise war ich es doch, die immer so tat, als gäbe es keinen Grund zur Aufregung.
Achselzuckend sahen die anderen sich an.
»Und du?«, sprach ich mein Leben direkt an.
Er checkte gerade sein Handy. »Erinnerst du dich, ob ich ihm meine Nummer gegeben habe? Vielleicht ruft er mich an. Oder schickt mir sogar eine SMS . Eine SMS wäre echt nett nach gestern Nacht.«
»Quentin wird gefeuert, und ich bin schuld!«, rief ich verzweifelt.
Jetzt sprangen alle von den Stühlen und wollten mehr erfahren – alle außer meinem Leben. Er verdrehte lediglich die Augen, weil ich mich so theatralisch aufspielte, und wandte sich dann wieder seinem Handy zu.
»Ich kann es euch nicht genauer erklären.« Händeringend lief ich auf und ab. »Dafür haben wir keine Zeit. Ich muss mir etwas einfallen lassen, um zu verhindern, dass man ihn entlässt.« Ich sah die anderen an, und sie erwiderten meinen Blick mit ausdruckslosen, müden Gesichtern. Falls einer von ihnen eine Möglichkeit wusste, wie man Quentin retten konnte, dann hätten sie diese bestimmt schon bei den anderen Entlassungen angewandt. Oder sie behielten diesen Trumpf lieber vorsorglich in der Hand, für den Fall, dass sie selbst in die Schusslinie gerieten. Also musste ich wohl oder übel allein herumwandern und mir das Gehirn zermartern.
Ich sah mein Leben an. Er war noch immer auf der Suche nach einer SMS . »Vielleicht hab ich hier kein Netz«, murmelte er, streckte das Handy in die Luft und wedelte damit herum. »Ich geh mal auf den Flur und probier es da«, verkündete er schließlich, stand auf und verließ den Raum.
»Jetzt weiß ich, was ich tun muss«, sagte ich mit fester Stimme.
»Was?«, fragte Quetschi, aber ich konnte nicht antworten, weil ich bereits unterwegs zu Ednas Büro war, wild entschlossen, im Mund bereits die dafür ausgeformten Worte.
Ich riss die Tür auf und stürzte hinein. Edna und Quentin blickten auf.
»Feuern Sie mich!«, rief ich und stellte mich breitbeinig in die Mitte des Zimmers, bereit, es mit der ganzen Welt aufzunehmen.
»Wie bitte?«, fragte Edna.
»Feuern Sie mich«, wiederholte ich. »Ich habe es nicht verdient, hier zu arbeiten.« Ich sah Quentin an und hoffte, dass er es verstand. »Ich bin ein Zwei-Bohnen-Salat. Ich habe nicht gehalten, was ich versprochen habe, ich sollte nicht hier sein, ich habe diese Arbeit eigentlich nur die letzten zwei Wochen wirklich zu schätzen gewusst. Davor hab ich meinen Job und alle Leute in diesem Haus für selbstverständlich genommen.« Ich starrte Edna an. Bisher wirkte sie hauptsächlich schockiert, aber sie musste wütend werden, damit sie mich feuerte und Quentin bleiben konnte. Ich schluckte schwer. »Ich hab mir für alle Leute hier Spitznamen ausgedacht, die ich eigentlich lieber für mich behalten würde, aber wenn Sie es möchten, dann verrate ich sie Ihnen.« Ich kniff die Augen zusammen. »Ihrer hatte etwas mit einem Fisch zu tun.« Beschämt machte ich die Augen wieder auf. »Ich hab dauernd getrödelt und eine Menge Zeit verschwendet. Ich rauche im Gebäude, ich bringe alle in
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