Ein Moment fürs Leben. Roman
Kollegin dafür zu entschädigen, dass sie nicht das bekommen hat, was sie hätte erwarten können? Das ist ja wie eine Shepherd’s Pie ohne Lammfleisch oder ein Sherry Trifle ohne Sherry! Schlicht
inakzeptabel
!‹.«
»Oh, Quentin.« Ich hielt mir die Hand vor den Mund und versuchte, nicht über sein todernstes Gesicht zu lachen. »Danke!«
»Keine Ursache.« Er griff in die unterste Schreibtischschublade und holte eine braune Papiertüte heraus. »Hier ist ein echter Drei-Bohnen-Salat als Entschädigung und dazu noch ein Lunch-Gutschein.«
»Quentin, ich danke dir!«, rief ich und schloss ihn in die Arme, was ihn ein bisschen in Verlegenheit brachte. »Danke, dass du meine Ehre verteidigt hast.«
In diesem Moment betrat Fischgesicht das Büro, beäugte uns alle und sah, dass Quentin und ich ein Stück abseits von den anderen standen.
»Ich halte dir immer gern den Rücken frei, Lucy, keine Sorge«, sagte Quentin, gerade als Edna an uns vorbeiging.
Sie musterte mich argwöhnisch, und ich wusste sofort, dass sie dachte, wir hätten darüber gesprochen, wie Quentin mich vor der Spanischen Inquisition gerettet hatte.
»Entschuldigung, aber könnten Sie die letzte Frage bitte noch mal wiederholen?«, sagte mein Leben laut, damit ich es auch bestimmt hörte.
»Welche Sprache«, begann Mary schüchtern, aber mit einem breiten Grinsen, »welche Sprache kann Lucy nicht, obwohl sie das auf ihrem Lebenslauf behauptet hat?«
»Na ja, das wissen ja inzwischen wohl alle«, sagte mein Leben. »Also, auf drei. Eins, zwei, drei …«
»Spanisch!«, brüllten alle wie aus einem Munde, einschließlich Quentin, schauten mich an und lachten.
Ich konnte nicht anders, als mitzulachen. Denn ich hatte das Gefühl, dass man mir soeben verziehen hatte.
Kapitel 20
»Sie sind also Lucys Leben.« Quetschi saß auf der Kante des Schreibtischs, den mein Leben sich selbst zugewiesen hatte und der ein ganzes Stück von mir entfernt stand. Sie hatte schon vor einer ganzen Weile hier ihren Wachposten bezogen.
»Japp«, antwortete mein Leben, ohne aufzublicken, und tippte emsig weiter.
»Und das ist Ihr Job?«
»Japp.«
»Sind Sie auch noch das Leben von jemand anderem?«
»Nein.«
»Also immer nur eine Person gleichzeitig.«
»Japp.«
»Und wenn sie stirbt, dann sterben Sie auch?«
Jetzt hörte er doch auf zu tippen, hob langsam den Kopf und funkelte sie an. Aber sie verstand den Wink nicht.
»Ja?«, hakte sie stattdessen nach. »Also, ich meine nicht, wenn Sie zusammen einen Autounfall haben oder so. Ich meine, wenn Lucy stirbt, während Sie ganz woanders sind. Fallen Sie dann sofort tot um?«
Er begann wieder zu tippen.
Quetschi kaute auf ihrem Kaugummi herum, produzierte eine kleine Blase, die platzte und an ihren Lippen kleben blieb. Mit ihren falschen Fingernägeln kratzte sie sie wieder ab. »Haben Sie Familie?«
»Nein.«
Ich unterbrach meine Arbeit und sah zu ihm hinüber.
»Leben Sie allein?«, fuhr Quetschi unbeirrt fort.
»Ja.«
»Haben Sie eine Freundin?«
»Nein.«
»Dürfen Sie eine haben?«
»Ja.«
»Ich meine, können Sie eine haben? Also, ich meine, haben Sie ganz normale, na ja, Sie wissen schon …«
»Ja«, antwortete er. »Funktioniert alles einwandfrei.«
»Aber Sie haben keine?«
Er seufzte. »Freundin oder …?«
»Freundin«, fiel sie ihm hastig ins Wort.
»Nein.«
»Also leben Sie allein?«
»Japp.«
»Und Ihr Leben dreht sich nur um Lucy.«
»Ja.«
Auf einmal tat er mir leid, und ich bekam ein schlechtes Gewissen. Ich war alles, was er hatte, und ich gab ihm echt nicht viel. Als er unerwartet aufblickte, sah ich schnell weg und widmete mich wieder meinem Papierkram.
»Möchten Sie zu meiner Hochzeit kommen?«
»Nein.«
Nach dieser Absage rutschte Louise endlich von seiner Schreibtischkante herunter und machte sich auf den Weg, jemand anderem auf die Nerven zu fallen. Aber kaum war sie weg, verstummte das Tastengeklapper, und ich schielte aus dem Augenwinkel zu ihm hinüber. Er kaute auf der Unterlippe und starrte gedankenverloren auf seinen Bildschirm, aber dann passte ich einen Moment nicht auf, und er erwischte mich beim Starren.
»Hat er angerufen?«
»Wer?«
»Na, wer wohl? Meister Popper.«
Ich verdrehte die Augen. »Nein.«
»Hat er eine SMS geschickt?«
»Nein.«
»Der Arsch«, brummte mein Leben und schien beleidigt zu sein.
»Ist mir völlig egal«, meinte ich, amüsiert über seine Reaktion.
»Lucy.« Er schwang seinen Drehstuhl herum, so dass er mich
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