Ein Moment fürs Leben. Roman
meinen Beinen auf dem Boden, drehte ab und an den Kopf und warf mir so ärgerliche wie ängstliche Blicke zu.
Als wir starteten, zischte er: »›Die Aussicht ist toll.‹«
»Ja, wunderschön«, gab ich mit einem ruhigen Lächeln zurück.
»›Und du kannst mit dem Piloten landen‹«, zitierte er mich wütend weiter. »Du hast mich reingelegt. Du hast mich angelogen. Alles nur Lüge«, fügte er giftig hinzu.
»Du musst nicht abspringen«, wiederholte ich mein Versprechen und versuchte, ganz entspannt zu bleiben. Aber in Wirklichkeit machte ich mir Sorgen. Ich konnte es mir nicht leisten, dass mein Leben jetzt irgendeine gigantische Wahrheit offenbarte. Nicht hier, nicht jetzt, nicht solange Blake so nahe war, dass unsere Füße sich berührten.
»Warum bin ich dann mit einer Nabelschnur an dir festgebunden?«
»Du kannst nachher so tun, als hättest du eine Panikattacke. Dann bleiben wir einfach im Flugzeug. Ich wollte das hier doch nur so gern noch einmal mit ihm machen.«
»So tun, als hätte ich eine Panikattacke? Die krieg ich in echt«, entgegnete er, schaute wieder nach vorn und ignorierte mich den Rest des Flugs. Harry sah völlig verschreckt aus, er war grün im Gesicht und zitterte. Unsere Blicke begegneten sich.
»Es wird dir gefallen. Stell dir einfach Declan ohne Augenbrauen vor.« Er lächelte, schloss die Augen und atmete tief. Als wir starteten und uns in den Himmel emporschwangen, sahen Blake und ich uns an. Wir konnten das Lächeln nicht unterdrücken, und er schüttelte immer wieder den Kopf, fassungslos, dass ich wirklich da war. Wir gingen in den zwanzigminütigen Steigflug auf 4000 Meter, dann waren wir endlich bereit. Als Blake die Tür öffnete, fegte ein heftiger Windstoß herein, und auf einmal sahen wir wie einen Flickenteppich die Landschaft unter uns liegen.
Mein Leben stieß einen Schwall von Wörtern aus, die ich nicht wiederholen möchte.
»Ladys first«, rief Blake und trat zur Seite, um mein Leben und mich vorzulassen.
»Nein, nein, macht ruhig«, entgegnete ich fest. »Wir springen als Letzte.« Ich versuchte, Blake Zeichen zu geben, dass mein Leben Angst hatte, aber mein Leben hatte sich wieder zu mir umgedreht und ließ mich nicht aus den Augen.
»Nein, ich bestehe darauf«, sagte Blake. »Wie in alten Zeiten.«
»Ich würde ja gern, aber … er ist ein bisschen nervös. Ich glaube, es wäre besser, wenn wir den anderen erst mal zuschauen. Okay?«
Mein Leben kochte vor Wut. »Ich bin überhaupt nicht nervös. Komm, lass uns springen.« Und schon rutschte er auf dem Hintern in Richtung Tür und zog mich mit sich. Ich war total entgeistert, wollte aber nicht mit ihm diskutieren, also kontrollierte ich kurz, ob Tandemgurt und Fallschirm ordentlich befestigt waren, und folgte ihm. Unglaublich, dass mein Leben auf einmal so entschlossen war; ich hatte fest damit gerechnet, dass wir im Flugzeug bleiben und mit dem Piloten landen würden. Ich war enttäuscht gewesen, aber jetzt war ich bereit zu springen, und das Adrenalin strömte durch meine Adern.
»Fertig?«, rief ich.
»Ich hasse dich!«, antwortete er mit schriller Stimme.
Ich machte den Countdown. Bei drei waren wir draußen, und dann stürzten wir im freien Fall durch die Luft, wobei wir in gerade mal zehn Sekunden eine Geschwindigkeit von zweihundert Stundenkilometern erreichten. Mein Leben schrie auf, ein langer lauter Schreckensschrei, aber ich fühlte mich auf einmal unglaublich lebendig, jauchzte und jubelte über ihm und hoffte, das würde ihm zeigen, dass alles nach Plan lief und dass es normal war, wenn wir hier herumwirbelten wie Schneeflocken, ohne zu wissen, wohin wir unterwegs waren. Dann kamen wir in die Position für den freien Fall und segelten und fielen insgesamt fünfundzwanzig Sekunden wie im Rausch, den Wind in den Ohren, in den Haaren, überall, laut und kalt und wunderbar angsterregend. Als wir eine Höhe von 1500 Metern erreichten, löste ich den Hauptfallschirm, und als er sich geöffnet hatte, war plötzlich Schluss mit dem Wahnsinn und dem Sausen des Winds in den Ohren. Alles wurde still und war einfach nur noch herrlich und wunderbar.
»O mein Gott«, sagte mein Leben, atemlos und heiser nach seinem Geschrei.
»Alles okay bei dir?«
»Okay? Ich hätte fast eine Herzattacke gekriegt. Aber das jetzt« – er schaute sich um –, »das ist sensationell.«
»Siehst du«, sagte ich, überglücklich, diesen Augenblick mit meinem Leben teilen zu können. Ich war so glücklich, dass
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