Ein Moment fürs Leben. Roman
Mary.
»Das spielt keine Rolle. Jetzt geht es um mich«, erwiderte ich eigensinnig. »Ich hatte das Gefühl, es wäre leichter damit umzugehen, nur war es das nicht, weil ihr es mir alle übelgenommen und gedacht habt, ich hätte Blake betrogen.« Ich sah Adam an. »Ich versichere dir, das stimmt nicht.«
»Und
du
?« Melanie sah Blake wütend an.
»Hey, ich hab euch doch gesagt, ihr sollt ihn in Ruhe lassen, es geht um mich!« Aber keiner hörte auf mich.
»Erinnerst
du
dich vielleicht, wer auf diese Idee gekommen ist?«, wollte Jamie jetzt von Blake wissen.
»Schaut mal«, begann Blake seufzend und beugte sich vor, stützte die Ellbogen auf den Tisch und verschränkte die Hände ineinander, »möglicherweise war es meine Idee, aber ich hab es nicht deswegen vorgeschlagen, weil ich keine Schuld auf mich nehmen wollte, sondern einzig und allein, um es für Lucy leichter zu machen …«
»Und für dich selbst«, fiel ihm meine Mutter ins Wort.
»Mum, bitte«, sagte ich leise, und es war mir sehr peinlich, dass alles sich genauso entwickelte, wie Blake es befürchtet hatte.
»Also war es deine Idee, Blake?«, hakte Riley nach.
Blake seufzte wieder. »Ich denke schon.«
»Mach weiter, Lucy«, sagte Riley, und damit war dieser Punkt abgehakt.
»Na ja, an dem Tag, als wir uns getrennt haben, haben wir euch erzählt, dass ich ihn verlassen hatte, und ich war total durcheinander. Total traurig und total durcheinander sogar. Ich hatte einen freien Tag, den hatte ich freigenommen, weil – erinnerst du dich, Blake, wir wollten eigentlich mit deiner Nichte Erdbeeren pflücken, in …« Ich schaute zu Blake, und er sah ehrlich traurig aus. »Egal«, kehrte ich zum Thema zurück, »jedenfalls habe ich zu Hause was getrunken. Ziemlich viel sogar.«
»Recht so«, rief Lisa und funkelte Blake wütend an.
»Und dann hat meine Firma angerufen und mir gesagt, ich soll einen Klienten vom Flughafen abholen. Und das hab ich dann gemacht.«
Mum machte ein schockiertes Gesicht.
»Vater kennt übrigens die Wahrheit, deshalb haben wir uns gestritten. Und Riley, was immer Gavin dir über diesen Tag erzählt hat, es stimmt. Und – das nur nebenbei – er betrügt seine Frau auch nicht mit einem Mann. Ich bin entlassen worden und hab meinen Führerschein verloren, aber das konnte ich keinem sagen.«
»Warum denn nicht?«, fragte Melanie.
»Weil … na ja, ich hab es mal versucht. Erinnerst du dich, Chantelle?«
Chantelle sah mich an wie ein Reh im Scheinwerferlicht. »Nein, keine Ahnung.«
»Am nächsten Tag hab ich dich angerufen und dir gesagt, dass ich am Tag davor total blau war, und du hast gefragt, warum, und ich hab gesagt, weil ich total durcheinander war, und du hast gesagt, warum zur Hölle bist du denn durcheinander,
du
hast Blake doch verlassen.«
Chantelle schlug sich die Hände vors Gesicht. »Lucy, du weißt doch, dass man nicht zu viel auf mein Geschwätz geben darf! Bin ich jetzt schuld an allem?«
»Nein, nein«, erwiderte ich und schüttelte nachdrücklich den Kopf. »Ganz bestimmt nicht, aber in diesem Moment hab ich begriffen, dass ich in dieser Lüge gefangen war und dass ich dabei bleiben musste. Ich hab das Auto verkauft und angefangen, mit dem Rad zu fahren, und ich brauchte dringend einen Job, weil ich kein Geld hatte, und der einzige Job, den ich gefunden habe, war der bei
Mantic
, aber dafür war Spanisch eine Voraussetzung, und ich hab einfach behauptet, ich könnte es. Was war denn auch so eine kleine Lüge in der ganzen Reihe von viel größeren Lügen? Aber dann brauchte ich Mariza, um mir zu helfen, sonst hätte ich den Job gleich wieder verloren, aber das konnte ich keinem erzählen, und ich hab das Studioapartment gemietet, das ungefähr so groß ist wie dieser Tisch, und keiner von euch durfte mich besuchen, weil ich mich so schämte, dass ich alles vermasselt hatte und dass mein Leben so beschissen war, während es bei euch anderen so gut lief. Anfangs habe ich mich geschämt, aber dann hab ich dieses Leben irgendwie ganz liebgewonnen, und ich war ganz allein in diesem Schneckenhaus, in dem nur ich die Wahrheit kannte, aber dann hat mein Leben mit mir Kontakt aufgenommen – dieser Mann hier rechts von mir. Und er hat mir geholfen zu sehen, wie ich mich isoliert hatte und dass ich das nur ändern konnte, wenn ich die Wahrheit sagen würde, weil nämlich alles zusammenhängt – jede kleine Wahrheit hängt mit einer großen Lüge zusammen. Aber um euch eine Wahrheit zu sagen,
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