Ein Moment fürs Leben. Roman
hätte ich alles erzählen müssen, und das konnte ich nicht, deshalb hab ich es nicht getan und euch entweder gar nichts oder Lügen erzählt, und das tut mir leid. Es tut mir ehrlich leid. Und Blake, ich möchte mich auch dafür entschuldigen, dass ich dich mit reingezogen habe, aber es war leider nicht anders möglich. Es ging nicht um dich, auch nicht darum, dir den schwarzen Peter zuzuschieben, es ging nur um mich und darum, alles wieder in Ordnung zu bringen.«
Er nickte und sah auf einmal verständnisvoll und auch traurig aus. »Ich hatte ja keine Ahnung, Lucy. Es tut mir echt leid. Ich dachte wirklich, es wäre das Beste.«
»Für dich«, wiederholte Mum.
»Mum«, sagte ich ärgerlich.
»Sonst noch was?«, fragte mein Leben, und ich überlegte.
»Ich mag keinen Ziegenkäse.«
Lisa schnappte hörbar nach Luft.
»Tut mir leid, Lisa.«
»Aber ich hab dich fünfmal gefragt!«, rief sie. Vor zwei Monaten hatte sie uns nämlich alle zum Essen eingeladen und mich darauf angesprochen, dass ich meinen Käse auf dem Teller herumschob. »Warum hast du das nicht einfach gesagt?«
Wahrscheinlich konnte jeder am Tisch nachvollziehen, warum ich in diesem Fall eine höfliche Lüge der Wahrheit vorgezogen hatte – sogar eine Ziege hätte den Käse gefressen, und Lisa hätte mich gefressen, wenn ich ihn nicht gegessen hätte. Trotzdem erklärte das natürlich noch lange nicht, warum ich danach ständig Ziegenkäse bestellt hatte, wenn wir essen gegangen waren, nur um ihre Theorie zu widerlegen, dass ich ihn nicht mochte. Und am Ende hatte ich den Käse noch mehr gehasst.
»Noch was?«, fragte mein Leben noch einmal.
Ich überlegte. »Dass ich auf das unsichtbare Baby von meiner Nachbarin aufgepasst habe, meinst du das? Nein? Was denn … ach so, und ich habe eine Katze! Einen Kater genauer gesagt, seit zweieinhalb Jahren. Er heißt MrPan, aber er mag es lieber, wenn man ihn Julia oder Mary nennt.«
Alle sahen mich schockiert an, und dann schwiegen alle nachdenklich.
»Das war’s dann, Leute, mein Leben in Kurzfassung«, brach ich schließlich das Schweigen. »Und was denkt ihr jetzt?« Ich befürchtete noch immer, sie würden gleich aufstehen und davonlaufen oder mir ihr Getränk ins Gesicht schütten.
Aber stattdessen wandte Adam sich an Blake und fragte mit wütender Stimme: »Dann hast du also Lucy verlassen?«
Ich seufzte und schob meinen Salat weg, denn mir war der Appetit vergangen.
»Was ist los?«, fragte Melanie mit großen Augen. »Hast du auch beim Salat gelogen? Magst du ihn nicht?« Dann grinste sie mich an, und wir kicherten beide, während die anderen über Blake herfielen, wie sie es fast drei Jahre lang mit mir gemacht hatten.
»Entschuldigung, aber könntet ihr mal bitte alle still sein?«, rief Jamie schließlich, und tatsächlich verstummten die anderen. »Obwohl ich denke, man müsste es eigentlich nicht erwähnen, sage ich es lieber trotzdem, und ich glaube, ich spreche für alle – na ja, für fast alle«, fügte er mit einem kurzen Blick zu Andrew hinzu, »wenn ich sage: Lucy, ich verstehe überhaupt nicht, wie du auf die Idee gekommen bist, dass du uns das alles nicht erzählen kannst. Es hätte unsere Meinung von dir überhaupt nicht verändert – wir wissen ja längst, dass du eine Katastrophe bist.«
Alle lachten.
»Nein, im Ernst, Lucy, wir sind deine Freunde, egal, was für einen doofen Job du hast oder wo du gerade wohnst. Du kennst uns doch eigentlich besser, als dass du ernsthaft glauben könntest, so was wäre wichtig für uns.« Er machte einen ehrlich gekränkten Eindruck.
»Vermutlich wusste ich das schon, aber die Lüge wurde immer größer, und dann hatte ich Angst, dass ich euch verliere, wenn ihr erfahrt, dass ich eine psychotische Dauerlügnerin bin.«
»Und da ist wiederum was dran«, sagte Jamie düster. »Aber es passiert trotzdem nicht.«
»Ganz meine Meinung«, rief Melanie, und die anderen stimmten ein, außer Andrew und Jenna und natürlich Blake, der viel zu sehr damit beschäftigt war, damit fertigzuwerden, dass er sich so unbehaglich fühlte wie nie zuvor in seinem Leben. Mein Leben beobachtete alles schweigend und machte sich wahrscheinlich im Kopf schon Notizen für seine nächste Akte. Als unsere Blicke sich trafen, zwinkerte er mir zu, und da entspannte ich mich zum ersten Mal seit zwei Jahren, elf Monaten und dreiundzwanzig Tagen.
»Jetzt aber mal zu den wichtigen Dingen«, sagte Riley. »Hat niemand außer mir das gehört? Lucy, hast du
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