Ein Moment fürs Leben. Roman
hatte doch gar nichts vor«, ruderte ich verlegen zurück.
Wir schwiegen.
»Ich meine, okay, ich hatte schon was vor, aber – du siehst so gut aus, und du warst immer so nett zu mir und …« Ich holte tief Luft. »Und ich liebe dich wirklich.«
Er lächelte und bekam Grübchen in beiden Wangen. »Erinnerst du dich an den Tag, als wir uns zum ersten Mal gesehen haben?«
Ich verzog das Gesicht und nickte.
»Damals konntest du mich überhaupt nicht leiden, stimmt’s?«
»Ich hab dich gehasst. Du warst richtig abstoßend.«
»Aber jetzt hab ich dich auf meine Seite gebracht, Mission erfüllt. Du hast es kaum ausgehalten, dich im gleichen Raum aufzuhalten wie dein Leben, und inzwischen
magst
du mich sogar.«
»Ich hab gesagt, ich liebe dich.«
»Und ich liebe dich auch«, sagte er, und mein Herz machte einen Satz.
»Aber jetzt bin ich dabei, dich zu verlieren.«
»Du hast mich gerade gefunden.«
Ich wusste, dass er recht hatte, ich wusste, es gab nichts Romantisches, nichts Körperliches zwischen uns, sosehr ich in diesem Moment auch das Gefühl hatte, dass er mein Ein und Alles war. Es war schlicht unmöglich, sonst wäre auch das Zeitungsinterview völlig anders verlaufen. »Werde ich dich jemals wiedersehen?«
»Ja, klar, wenn du das nächste Mal Mist baust. So wie du gestrickt bist, wird das ja nicht lange dauern.«
»Hey!«
»War bloß ein Witz. Wenn es dich nicht stört, schau ich gelegentlich nach dir.«
Ich schüttelte den Kopf, brachte aber kein Wort heraus.
»Und du weißt ja auch, wo mein Büro ist, also kannst du mich besuchen, wann immer du möchtest.«
Ich nickte wieder, presste die Lippen zusammen und spürte, wie mir fast die Tränen kamen. Fast.
»Ich war hier, um dir zu helfen, und ich hab dir geholfen. Wenn ich jetzt noch bleibe, bin ich nur im Weg.«
»Du wärst mir nie im Weg«, krächzte ich.
»O doch«, widersprach er leise. »In der Wohnung ist nur Platz für dich und deine Couch.«
Ich wollte lachen, aber es ging nicht.
»Danke, Lucy. Du hast mir auch geholfen, weißt du.«
Ich nickte, aber ich konnte ihn nicht ansehen. Denn sonst hätte ich geweint, und Weinen war schlecht. Also konzentrierte ich mich stattdessen auf seine Schuhe. Seine neuen, glänzenden Schuhe, die überhaupt nicht zu dem Mann gepasst hätten, den ich damals kennengelernt hatte.
»Okay, dann kann ich wenigstens auf Wiedersehen sagen. Es ist kein Abschied für immer.«
Er küsste mich auf den Kopf, den einzigen Teil, den er von mir sehen konnte. Es war ein langer Kuss, und dann lehnte ich meinen Kopf an seine Brust und merkte, dass sein Herz genauso raste wie meines.
»Ich warte noch, bis du sicher im Haus bist.«
Langsam wandte ich mich ab und ging, und jeder meiner Schritte hallte laut durch die stille Nacht. Nicht einmal an der Tür konnte ich innehalten und zurückschauen, ich musste nach vorn blicken, denn sonst kamen die Tränen, ja, sonst kamen die Tränen.
MrPan sah schlaftrunken aus seinem Körbchen zu mir auf, nahm mich zur Kenntnis und schlief dann weiter. Auf einmal begriff ich, dass dies das Ende unseres Zusammenlebens in meinem Schneckenhaus war. Entweder musste er umziehen oder wir beide. Auch das machte mich traurig, aber MrPan war ein Kater, und ich würde bestimmt nicht um einen Kater weinen, also riss ich mich zusammen und war stolz, dass ich die Tränen besiegt hatte, ich war stärker als sie, Tränen bedeuteten Selbstmitleid, und ich bemitleidete mich nicht. Ich wollte mich nur unter meiner Bettdecke verkriechen und an nichts von dem denken, was an diesem Abend passiert war. Doch mein Plan scheiterte am Reißverschluss meines Kleids. Als ich heute Nachmittag nicht mit ihm fertiggeworden war, hatte mein Leben mir geholfen. Aber allein bekam ich ihn einfach nicht zu fassen, ganz gleich, aus welchem Winkel ich es versuchte. Ich verrenkte mich in alle Richtungen, es nutzte nichts. Ich schwitzte und keuchte und wollte nicht glauben, dass ich mich nicht aus eigener Kraft aus diesem dummen Kleid befreien konnte. Verzweifelt sah ich mich in meiner Wohnung nach Hilfe um, konnte aber nichts und niemanden entdecken. In diesem Augenblick begriff ich, dass ich wirklich und wahrhaftig allein war.
So stieg ich schließlich mit meinem Kleid ins Bett. Und weinte.
Kapitel 30
Eine Woche lang lag ich im Bett – jedenfalls fühlte es sich so an. Wahrscheinlich waren es in Wirklichkeit nicht mehr als vier Tage, was immer noch eine Leistung ist. Am Morgen nach meinem Geburtstag hatte ich
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