Ein Moment fürs Leben. Roman
mysteriösen Apartment, mit meinem heimlichen Liebhaber.« Ich griff nach meiner Tasche, mein Leben folgte meinem Beispiel und stand ebenfalls auf. »Und du hast recht, Adam, er ist nicht bloß ein Freund. Er ist viel mehr als das, denn er war viel mehr für mich da, als du es jemals gewesen bist, obwohl du doch angeblich mein Freund bist.«
Und dann ging ich. Wie immer vor allen anderen. Draußen lief ich, bis ich außer Hör- und Sichtweite war. Als ich in einem einsamen Hauseingang den geeigneten Platz entdeckte, holte ich ein Taschentuch aus der Tasche und dachte darüber nach, die Regeln zu brechen. Ich wartete und wartete. Irgendwo mussten die Tränen ja sein, im Lauf der Jahre hatte sich sicher einiges angestaut. Doch nichts kam. Schließlich knüllte ich das Taschentuch zusammen und stopfte es zurück in die Tasche. Nicht jetzt, nicht ihretwegen; meine Tränen hatten auch ihren Stolz.
Nach einer Weile tauchte mein Leben mit besorgtem Gesicht neben mir auf. Als er sah, dass mit mir alles in Ordnung war, sagte er: »Okay, vielleicht hast du recht.«
»Er hasst mich.«
»Nein.« Er sah verwirrt aus. »Zwischen Jamie und David funktioniert nach der ganzen Lisa-Geschichte alles ganz gut.« Er sagte das in einem so ulkigen Pseudo-Tratsch-Ton, dass ich unwillkürlich lächeln musste.
Ich fröstelte, denn der Nachtwind war stärker geworden.
»Komm«, sagte mein Leben leise, zog seine Jacke aus und legte sie mir um die Schultern. Dann schlang er schützend den Arm um mich, und unter dem orangen Licht der Straßenlaternen gingen wir zusammen nach Hause.
Kapitel 16
»Was möchtest du heute machen?«, fragte ich mein Leben.
Wir fläzten faul auf der Couch, umgeben von den verstreuten Blättern der Sonntagszeitung, aus der sich jeder die Teile geklaubt hatte, die ihn am meisten interessierten und die wir dann schweigend gelesen oder uns laut vorgelesen und lachend kommentiert hatten. Ich fühlte mich wohl und entspannt in der Gesellschaft meines Lebens, und wie es schien, ging es ihm genauso. Meine Kleider-Vorhänge waren offen, um die Sonne hereinzulassen, durch die Fenster strömten frische Luft und sonntägliche Stille zu uns herein. Die ganze Wohnung duftete nach Pfannkuchen mit Ahornsirup, die mein Leben zubereitet hatte, und nach frischem Kaffee, der noch heiß auf der Theke stand. MrPan hatte es sich auf einem Schuh meines Lebens gemütlich gemacht und sah so zufrieden aus wie die sprichwörtliche Katze, die von der Sahne genascht hat, was er übrigens wirklich getan hatte. Zu der Sahne hatte es frische Blaubeeren aus meinem Biogarten gegeben, den ich auf dem Dach angelegt hatte, als mein Leben in meine Welt gekommen war. Ich hatte die Beeren heute früh gepflückt, einen weißbebänderten Strohhut auf dem Kopf, in einem weißen durchsichtigen Leinenkleid, das hypnotisch in der sanften Brise flatterte, sehr zur Freude der männlichen Nachbarn, die sich sorgfältig eingeölt auf ihren Liegestühlen in der Sonne präsentierten wie Autos im Showroom.
Okay, ich hab gelogen.
Die Heidelbeeren hatte mein Leben mitgebracht. Wir hatten keinen Dachgarten. Das Kleid hatte ich in einer Zeitschrift gesehen, und in meinem Tagtraum hatte ich mich auf wundersame Weise in eine Blondine verwandelt.
»Ich jedenfalls hätte Lust, heute einfach im Bett zu bleiben«, beantwortete ich meine Frage selbst und schloss wohlig die Augen.
»Du solltest deine Mutter anrufen.«
Sofort gingen meine Augen wieder auf. »Warum?«
»Weil sie versucht, eine Hochzeit zu planen, und du hilfst ihr nicht dabei.«
»Das ist ja wohl auch das Lächerlichste, was ich je gehört habe. Die beiden sind längst verheiratet, dieses Fest ist doch bloß eine Entschuldigung, damit sie was zu tun hat. Da wäre ja selbst ein Töpferkurs noch besser. Außerdem helfen weder Philip noch Riley, und heute kann ich auch gar nicht weg, weil die Teppichleute kommen. Wahrscheinlich zu spät. Solche Leute kommen doch immer zu spät. Ich glaube, ich sage lieber ab.« Schon griff ich nach dem Telefon.
»Auf gar keinen Fall! Ich hab heute ein graues Haar auf meiner Socke gefunden, und das war garantiert kein Kopfhaar und auch garantiert nicht von mir.«
Ich legte das Telefon wieder weg.
»Und du solltest Jamie anrufen.«
»Warum?«
»Wann hat er dich das letzte Mal angerufen?«
»Er hat überhaupt noch nie angerufen.«
»Also muss es was Wichtiges sein.«
»Oder er war betrunken, ist aufs das Telefon gefallen und hat aus Versehen meine Nummer
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